piwik no script img

Im Amt bestätigt

Präsident der armenischen Enklave Berg-Karabach, Arkadi Gukasian, erhält bei Wahlen satte Mehrheit

MOSKAU taz ■ Nagorny Karabach – seit Jahren ist dieser kleine Flecken im südlichen Kaukasus aus dem Blickwinkel der Öffentlichkeit entschwunden. Dabei war die auf aserbaidschanischem Staatsgebiet gelegene, aber mehrheitlich von Armeniern bewohnte Bergregion einst der bröckelnde Schlussstein, der den Zerfall der Sowjetunion vor dreizehn Jahren beschleunigte. 1994, nach einem fünfjährigen Krieg, handelte die OSZE einen Waffenstillstand zwischen Aserbaidschan und Armenien aus.

Am Sonntag wurde in der armenischen Enklave gewählt. 89 Prozent der Wähler gaben ihre Stimme dem amtierenden Präsidenten Arkadi Gukasian, der im September 1997 erstmals sein Amt antrat. Keinem von drei Mitbewerbern gelang es, die Zehnprozentmarke zu überspringen. Menschenrechtler von der Helsinki-Initiative 92 beklagten, es gebe viele Gesetze, die die aktive Beteiligung am politischen Leben eher blockierten und ungleiche Bedingungen schafften. In einer Umfrage des Presseclubs der Hauptstadt Stepanakert sprachen sich am Vorabend des Urnenganges rund 30 Prozent der Wähler für Gukasian aus. 60 Prozent der Befragten beklagten Einschränkungen der Meinungsfreiheit, die nicht nur auf den militärischen Ausnahmezustand zurückzuführen seien.

International werden der Präsident und sein Land Berg-Karabach ohnehin nur von Armenien anerkannt. Die EU und der Europarat lehnten die Wahlen als nicht legitim ab. Walter Schwimmer, Generalsekretär des Europarates, wies die Abstimmung mit dem Hinweis zurück, sie sei „politisch unangebracht“ und würde die Verhandlungen zwischen den Präsidenten Armeniens und Aserbaidschans, Robert Kotscharian und Gaidar Alijew, unnötig belasten. Beide sollen sich morgen zu einer neuen Verhandlungsrunde treffen.

Seit 1994 befasst sich die so genannte Minsker Arbeitsgruppe im Rahmen der OSZE, der neben den USA auch Russland und Frankreich angehören, mit der Lösung des Karabachkonflikts. Doch der Status der Enklave ist weiter ungeklärt.

Vertreter Karabachs beklagen, auch Armeniens finanzieller Rückhalt hätte nachgelassen. In Karabach wachsen daher Ängste, Eriwan könne Karabach übergehen und aus wirtschaftlichen und geopolitischen Erwägungen mit Baku eine „Paketlösung“ anstreben. Denn seit dem 11. September ist die strategische Bedeutung der Region gewachsen, was die Begehrlichkeiten Moskaus und Washingtons erhöht hat. Gleichwohl gilt als sicher: Wenn Karabach von der Konfliktregulierung ausgeschlossen würde, dürften sich Baku und Eriwan schneller einigen.

Der russische Karabach-Experte Wladimir Kasimirow hält die Wahlen für einen Schachzug Gukasians. Im Gegensatz zum autokratischen Aserbaidschan wolle er Karabach europäischen Beobachtern als demokratisch empfehlen. Der Hintergedanke: Europa könne ein demokratisches Gemeinwesen nicht dem Zugriff des Potentaten in Baku überlassen. KLAUS-HELGE DONATH

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen