Ideologie der Wut

Die jüngste Welle von Attentaten in Pakistan schürt Ängste vor einer drohenden „Algerisierung“ des Landes

DELHI taz ■ Pakistans Polizei hat einen der drei Attentäter identifiziert, der beim Anschlag auf eine Spitalkapelle bei Islamabad am vergangenen Freitag umgekommen war. Mit zwei Komplizen war er in das Gelände des christlichen Spitals in der Kleinstadt Taxila eingedrungen und hatte zwei Granaten in eine Gruppe von Krankenschwestern geworfen. Drei pakistanische Schwestern und der Attentäter starben. Laut Polizei handelt es sich um einen Mann aus Rawalpindi, der einer der islamistischen Organisationen angehörte, die die Regierung kürzlich verboten hatte.

Die Polizei konnte den Namen der Organisation nicht nennen, doch handelt es sich wohl entweder um die „Harkat-al-Mudschaheddin“ oder „Jaish-e-Mohammed“. Die Washington Post zitierte Geheimdienstquellen, wonach Führer dieser Gruppen Regierungsmitarbeitern erklärt hätten, Kämpfer hätten sich von den Mutterorganisationen losgesagt, um Angriffe auf westliche und christliche Institutionen und Personen durchzuführen. Sie hätten mit geflohenen al-Qaida-Kadern aus Afghanistan eine „lokale Al-Qaida-Organisation auf die Beine gestellt. Wir wissen es aus direkter Quelle“, zitierte die Zeitung die V-Leute. Zwischen den Zellen gebe es eine Koordination und „eine eindeutige Karachi-Kabul-Verbindung“.

Die Gruppe „Harkat-al-Almi“ habe sich amerikanische Ziele vorgenommen und sei für den Anschlag auf das US-Konsulat am 14. Juni verantwortlich. Eine andere tötete elf Franzosen am 8. Mai in Karachi. Bei den Attentätern auf christliche Institutionen handele es sich um eine weitere Gruppe. Laut Pakistans Polizeichef Raja Mumtaz Ahmed steckten die Täter vom Freitag auch hinter dem Attentat auf eine christliche Schule vier Tage zuvor. „Es ist eine Gruppe von 15 bis 20 Terroristen, die auf die Liquidierung von Christen und westlichen Ausländern hinarbeitet als Ausdruck ihrer Wut auf Pakistans Kooperation mit den USA im Krieg gegen den Terror.“ Das lose Bündnis verschiedener Zellen nenne sich „Lashar-e-Omar“, schreibt die Zeitung Dawn aus Karachi. Es soll eine Ehrung für Omar Sheikh sein. Das„Jaish-e-Mohammed“-Mitglied war wegen des Mordes am US-Journalisten Daniel Pearl zum Tod verurteilt worden.

Westliche Diplomaten und pakistanische Sicherheitsexperten sind sich einig in der ideologischen Identifizierung der Hintermänner der sieben Attentate auf westliche und christliche Ziele in diesem Jahr. Einige sprechen von „letzten Zuckungen“ eines geschlagenen Gegners. Doch die Mehrheit meint, dies sei „erst der Beginn einer Terrorkampagne einer losen Koalition militanter Gruppen“. Dawn befürchtet, Pakistan könne ein neues Algerien werden. „Pakistan muss sich der hässlichen Wahrheit stellen, dass sein Territorium von Terrorgruppen genutzt wird, und dies straflos.“ Die Zeitung verwies auf die Absage der Tour des australischen Cricket-Teams. Und das, obwohl Präsident Musharraf eine persönliche Sicherheitsgarantie geboten habe.

BERNARD IMHASLY