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Mongolischer Mittelschicht-Mingle

Neueste Nachrichten aus den asiatischen Weiten Berlins: Feste rund um den Nationalfeiertag „Naadam“

In der Regel braucht eine Emigranten-Szene zehn Jahre, um sich zu berappeln, das heißt eine eigene Infrastruktur aufzubauen. Für die in Berlin lebenden Mongolen, es sind derzeit etwa 2.000, ist dafür anscheinend jetzt die Zeit gekommen. Anlass war der Nationalfeiertag „Naadam“, das traditionell beeindruckendste Fest der Mongolen, das jedes Jahr in der schönsten Sommerzeit vom 11. bis 13. Juli stattfindet.

Im Vorfeld des „Naadam“, der auch in Berlin kürzlich gefeiert wurde, gab es im neu eröffneten mongolischen Restaurant „Chinggis Khan“ eine „Moonlight-Party“ – mit mongolischem Volkslied-Contest und Striptease-Einlagen. Als DJ hatte man die Germanistikstudentin Angara aus Ulan-Bator eingeflogen, die mongolische Popmusik auflegte.

Ein weiteres „Naadam“-Exil-Fest fand – im Nachhinein – am 20. Juli im „Xgarten“ am Ostkreuz statt. Es hieß „Dschingis Kinder – Blauer Himmel über Berlin“. Zunächst führte hier die in Berlin lebende Designerin Enche mongolische Mode vor. Dann trat der Höömii-Sänger Hosoo aus der mongolischen Provinz Tschandman-Sum ans Mikrofon. Und schließlich legte der aus Ulan-Bator angereiste DJ Tovshin (Tek) neueste mongolische Tanzmusik auf.

Während die „Moonlight-Party“ von einem mongolischen Journalisten organisiert wurde, war für das „Naadam“-Fest im „Xgarten“ eine vielköpfige deutsch-mongolische Veranstaltergruppe verantwortlich.

Im Gegensatz zu der Modedesignerin Soyolmaa, die ihre Kollektion unlängst in der Berliner Commerzbank von mongolischen Profi-Models vorführen ließ, wurde Enches neue Kollektion im „Xgarten“ von deutschen Studentinnen getragen. Auch die Besucher waren hier mehrheitlich Deutsche, denn am selben Abend trat im „Tränenpalast“ auch noch die mongolische Mädchengruppe Emotion auf – vor einem überwiegend mongolischen Publikum.

Die vier Sängerinnen Sarnai, Ganbolor, Sunder und Solongo haben in Ulan-Bator Musik studiert. Begleitet wurden sie von der Mutter von Sarnai, die einst in Leipzig studierte und nun Dozentin an der Musikhochschule in Ulan-Bator ist. Ihre Emotion-Mädchen befanden sich gerade auf einer einmonatigen Europatournee, wobei sie meist vor einem nichtmongolischen Publikum auftraten. Die Tournee diente der Promotion ihrer neuen, dritten CD „Why“, auf der sie ausschließlich englisch singen und neben einige Titeln von Jennifer Lopez und Destiny’s Child auch mongolische Lieder präsentieren. Im „Tränenpalast“ verstanden dagegen fast alle Zuhörer, darunter der Botschafter der Mongolei, Mongolisch, deswegen sangen die „Dschingis-Girls“, wie man sie in Österreich nennt, nur wenige Lieder auf Englisch. Nichtsdestotrotz orientierte sich ihre Choreografie auch hier durchgehend an Destiny’s Child, wobei Sarnai aufgrund ihres afrikanischen Vaters aus Leipzig à la Whitney Houston auftrat.

Ihr Freund Chinbaa hat viele der Emotion-Lieder getextet. Zurzeit befindet er sich in den USA, wo er die nächste Emotion-Tournee vorbereitet. Zusammen mit Sarnais Mutter ist er so etwas wie ein Manager der Mädchengruppe, die sich 1997 formierte. In der Mongolei ist sie inzwischen sehr berühmt. Aber auch in der mongolischen Szene im Ausland schätzt man ihre Musik und ihre Bühnenshow. Und sogar in der neuapostolischen Kirche, denn die Sängerin Sarnai gehört dieser Gemeinde in Ulan-Bator an. In Berlin organisierten die Neuapostoliker deswegen unlängst ebenfalls ein Konzert mit der Mädchengruppe in der Philharmonie. Ihr Auftritt im „Tränenpalast“ wurde von Seku organisiert: die Studentin ist im deutsch-mongolischen Kulturverein aktiv und veranstaltet daneben gelegentlich „Mongolendiskos“ in der Berliner TU-Mensa.

Die mongolischen Emigranten haben das Reiterfest „Naadam“ den örtlichen Gegebenheiten angepasst, denn hier sind die Pferde aus Chrom und Stahl, und kleine, dicke Männer reiten sie.

DONDOG BATJARGAL UND GHOSTDOG HÖGE

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