EU schützt Piepmätze

Mit einer Ohrfeige für das Wirtschaftsressort endet jetzt die „Piepmatz-Affäre“ von 1995: Wo Vögel brüten, muss auch Vogelschutzgebiet sein, sagt die EU. Das Niedervieland bleibt geschützt

Nicht der Senat darf über die Bremer Vogelschutzgebiete entscheiden

Er führte 1995 zum Bruch der Bremer Ampel-Koalition und zu vorgezogenen Neuwahlen: der nach einer taz-Titelzeile als „Piepmatz-Affäre“ in die Bremer Geschichte eingegangene Streit um die Vogelschutzgebiete in Bremen. 7.361 Hektar hatte das Umweltressort ohne Absprache mit dem Senat nach Brüssel gemeldet – Platz für zukünftige Gewerbegebiete, ärgerte sich FDP-Wirtschaftssenator Claus Jäger. Der grüne Umweltsenator Ralf Fücks musste gehen, die frisch gewählte Große Koalition beschloss auf einer ihrer ersten Sitzungen, ein Fünftel der Fläche wieder abzumelden.

Dem hat die EU-Kommission jetzt einen Riegel vorgeschoben: Ob eine Fläche als Vogelschutzgebiet gemeldet werden müsse und damit durch EU-Recht geschützt werde, liege nicht in der Entscheidungsmacht des Bremer Senats, sondern hänge allein davon ab, ob und wieviele Vögel dort lebten und brüteten, teilte Brüssel dem Umweltressort unmissverständlich mit.

Von den 1.394 Hektar Vogelschutzgebiet, die Bremen nach einem einstimmigen Senatsbeschluss der Großen Koalition wieder abmelden wollte, bleiben demnach zwei Drittel weiter geschützt. Insbesondere das 1.255 Hektar große Vogelschutzgebiet in Niedervieland, das im Wirtschaftsressort als potentielles Gewerbegebiet gilt und nach dem Willen des Bremer Senats auf 438 Hektar gestutzt werden sollte, bleibt bis auf einen 36 Hektar großen Streifen geschützt. Kaum Abstriche am Vogelschutz machte die EU auch beim Werderland und dem Überschwemmungsgebiet der Ochtum.

Lediglich bei 469 Hektar ließ sich Brüssel davon überzeugen, dass die ursprünglich gemeldeten Gebiete unter ornithologischen Gesichtspunkten nicht wertvoll genug seien. Der südliche Teil der Oberneulander Wümmeniederung zwischen Eisenbahn und A 27, der Nordwestteil des Blocklandes westlich der A 27, ein kleiner Teil des Werderlandes nördlich der Lesum, eine Binnendeichfläche in Grolland-Huchting und ein Streifen entlang der Binnenseite des Deichs in der Hemelinger und Arberger Marsch dürfen demnach wieder aus der Brüsseler Liste gestrichen werden.

BUND-Geschäftsführer Martin Rode sagte, der Brief aus Brüssel sei „eine klare Absage an die expansive Flächenpolitik Bremens“. Die Grünen forderten, das noch als Bauerwartungsland ausgewiesene Niedervieland endlich zum Naturschutzgebiet zu erklären. Das Wirtschaftsressort wollte gestern keine Stellungnahme abgeben.

EU-Vogelschutzgebiete sind, ähnlich wie die europäischen Naturschutzgebiete (FFH-Gebiete), geschützt: Sie dürften nur dann zerstört werden, wenn das Vorhaben für die weitere Entwicklung Bremens von absolut herausragender Bedeutung sei und es keine Alternativstandorte gebe, erklärte Umwelt-Ressort-Sprecher Holger Bruns. Das dürfte alle interessieren, die immer noch den Technologiepark über die Autobahn wachsen lassen wollen: Das Hollerland nämlich ist zwar noch immer nicht als FFH-, wohl aber bereits als EU-Vogelschutzgebiet gemeldet – auf einstimmigen Beschluss des Senats.

Armin Simon