piwik no script img

Auf Gedeih und Verderb

Sozialzentren: Beschäftigungsvermittlung und Existenzsicherung aus einer Hand? Grüne fürchten „Willkür und Korruption“

Aufregung bei der Bremer Arbeit GmbH (bag): Acht bis 14 der bag-Berater und -Vermittler sollen den Brötchengeber wechseln. Sie sollen den zwölf Sozialzentren der Stadtteile zugeordnet werden. Was die einen als logische Konsequenz eines von vornherein auf diesen Schritt ausgerichteten Konzept interpretieren, beobachten andere mit Sorge um die Qualität der Arbeitsberatung und um das 30 Millionen Euro schwere Programm „Hilfen zur Arbeit“, über das Beschäftigungsmaßnahmen finanziert werden. Die sozialpolitische Sprecherin der Grünen, Karoline Linnert, fürchtet gar, mit dem geplanten Schritt werde „Willkür und Korruption Tür und Tor geöffnet.“

Das Problem scheint im Verhältnis von Anspruch und Wirklichkeit zu liegen. Die Wirklichkeit sieht derzeit so aus, dass die Fallmanager der Sozialzentren (früher: die Sachbearbeiter des Sozialamts) SozialhilfeempfängerInnen zu den Beratern der bag schicken, damit letztere dem Menschen die passende Beschäftigungsmaßnahme heraussuchen – das ist eine von vielen bag-Aufgaben, deren 58 Köpfe sämtliche beschäftigungspolitischen Maßnahmen bündeln.

Der Anspruch aber ist der, dass die Fallmanager der zwölf Bremer Sozialzentren möglichst bald so weit seien, den Job der bag-Berater mitzuerledigen. Was jetzt umgekehrt bedeutet, dass die betroffenen bag-Mitarbeiter auch den Job der Fallmanager machen sollen. Die Fallmanager sollen dann für einen Sozialhilfeempfänger umfassend zuständig sein – von der Existenzsicherung, der Entscheidung über alle Anträge bis hin zu eben auch der Entscheidung über die weitere Beschäftigungskarriere des Betroffenen. Diese Allround-Kompetenz der Amtsmitarbeiter sei „von Anfang an Teil des Konzepts gewesen“, so Arnold Knigge, Staatsrat im Sozialressort. Was derzeit bei der bag geschehe, sei damit ein Schritt auf einem längst beschlossenen Weg. Außerdem soll die bag umziehen – Gelegenheit also, sich Gedanken über künftigen Raumbedarf und die Mitarbeiterzahl zu machen. Kein Grund zur Aufregung?

Doch, findet Karoline Linnert. Sie erklärt, die Zusammenführung der Beschäftigungsberatung und -vermittlung der bag mit den Fallmanagern sei nie geplant gewesen, alles andere sei „fett gelogen.“ Sie fürchtet Willkür und Korruption zu Lasten der Hilfesuchenden, wenn Existenzsicherung und Arbeitsvermittlung in einer Hand lägen, noch dazu dezentral, und mal gerade ein Ortsamtsleiter oder ein Beschäftigungsträger vorbeikäme und sich die Leute heraussuche, die ihm für diesen oder jenen Job gerade passten.

Für ihren SPD-Kollegen Frank Pietrzok stellt sich die Lage anders dar. Die Beratung und Vermittlung in Beschäftigung seien eine „Schnittstelle zwischen bag und Sozialzentren“, die bisher noch „konfus“ sei. Pietrzok: „Eine Konkretisierung muss her.“ Die Sozialdeputation wird sich im September damit befassen – erst dort werde entschieden, stellt der Parlamentarier klar.

Petra Reinhardt vom Verband Bremer Beschäftigungsträger (VBB) hat indes eine ganz andere Sorge. Zwar findet sie den anvisierten Schritt „von der Sache her und für die Zielgruppe richtig“, aber sie sorgt sich um die Zukunft des Programms „Hilfen zur Arbeit“. Bisher habe die bag „hervorragende Arbeit“ gemacht. Doch weil die Fallmanager in den Sozialzentren noch längst nicht so weit sind, dass sie den bag-Job machen könnten, weil andererseits die dann ausgelagerten bag-Mitarbeiter ihren Rückhalt verlieren könnten, könnte es passieren, dass die Vermittlung von Menschen in Beschäftigungsmaßnahmen nicht mehr so gut funktioniert, wie es derzeit geschieht.

Brigitte Dreyer, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der CDU im bag-Aufsichtsrat, findet die grünen Sorgen um die bag reichlich übertrieben. „Frau Linnert scheint vom Untersuchungsausschuss so benebelt, dass sie die gesamte öffentliche Verwaltung bis runter zum Pförtner mit Korruptionsverdacht überzieht“, schimpft sie, „das gehört sich nicht.“ Susanne Gieffers

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen