: „Trauriger Rückenwind“
Auf einer Fraktionsklausur reden die Berliner Grünen angesichts der Flutkatastrophe über mehr Klimaschutz. In neuen Umfragen steigt die Zustimmung zur Ökopartei
Die Grünen im Abgeordnetenhaus wollen als Reaktion auf die Flutkatastrophe den Umweltschutz in höherem Maße als bislang betonen. „Die Fraktion wird sich verstärkt für Energiesparmaßnahmen und die Förderung regenerativer Energien in Berlin einsetzen“, sagte Fraktionschef Wolfgang Wieland nach einer Klausurtagung im Brandenburgischen. Das Land müsse dazu beitragen, dass der Klimagipfel in Johannesburg ein Erfolg wird, verlangen die Grünen mit Blick auf die am Samstag beginnende UN-Konferenz. Konkreter will sich die Fraktion heute äußern. 100.000 Euro, im Landeshaushalt für Städtpartnerschaften vorgesehen, sollen nach ihrem Willen Flutopfern in Prag helfen.
Bei ihrem Treffen in Schloss Criewen im Unteren Odertal wollte sich die Fraktion schwerpunktmäßig mit der Osterweiterung der Europäischen Union beschäftigen. Doch das Hochwasser ließ in Stellungnahmen neben Lob für Vorschläge der Hartz-Kommission die Umweltpolitik nach vorne treten. Als Konsequenz aus der Flutkatastrophe soll sich Berlin nach Ansicht der Fraktion „vehement und engagiert“ gegen den weiteren Ausbau der Wasserstraße Berlin–Hannover wenden. Der zerstöre nicht nur wertvolle Flusslandschaften, sondern sei auch wirtschaftlich unsinning.
Zu der Klausurtagung stieß auch der Bundestagsabgeordnete Werner Schulz, der bei der Wahl am 22. September auf dem sicheren Landeslistenplatz 2 der Grünen kandidiert. Hans-Christian Ströbele hingegen, dem die Partei im Januar Schulz vorzog, war nicht dabei – wegen Terminschwierigkeiten, hieß es. Ströbele versucht, im neuen Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg das erste grüne Direktmandat bei einer Bundestagswahl zu gewinnen. Aus der 14-köpfigen Abgeordnetenhausfraktion tritt fast die Hälfte ihrer Mitglieder als Direktkandidaten an – wie Ströbele und Schulz. Fraktionschef Wieland etwa trifft dabei im Wahlkreis Mitte neben SPD-Mann Jörg-Otto Spiller auf PDS-Landeschef Stefan Liebich und den früheren CDU-Generalsekretär Volker Liepelt.
In jüngsten Wahlumfragen gehören die Grünen zu den Aufsteigern. Laut Meinungsforschungsinstitut Forsa haben sie bundesweit von 6 auf 7 Prozent zugelegt. Auf Landesebene hielt sich die Partei in einer Umfrage für die Morgenpost bei 13 Prozent, während CDU und PDS 1 bzw. 3 Prozentpunkte verloren. Fraktionssprecher Matthias Tang mochte die Grünen gestern aber nicht als Krisengewinnler sehen. Es liege zwar nahe, dass unter dem Eindruck der Katastrophenbilder grüne Themen wie Klimapolitik mehr Gehör fänden. „Das ist aber ein trauriger Rückenwind, auf den wir gern verzichtet hätten.“
STEFAN ALBERTI
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