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Trommeln für Wassergeld

Parteipolitiker werben landauf, landunter für ihre Finanzierungsmodelle zum Wiederaufbau der zerstörten Regionen

von NICK REIMER

Am Freitag geht Edmund Stoiber (CSU) in Gummistiefeln durch eine zerstörte Dresdner Straße. „Einmal sehen ist besser als tausendmal lesen“, erklärt der Kanzlerkandidat der Union den mit ihm watenden Journalisten. Am Samstag trifft sich Stoiber mit den ostdeutschen CDU-Ministerpräsidenten in Leipzig. Die Runde ist sich schnell einig. „Wir fordern die Bundesregierung auf, noch in diesem Jahr einen Sonderfonds Flutkatastrophe 2002 mit 2 Milliarden Euro auszustatten“, verkündet Stoiber. Am Sonntag erklärt er sich erstmals zur Idee, den Solidarpakt II vorzuziehen. „Wir brauchen einen nationalen Solidaritätsfonds, der mit dem Solidarpakt nichts zu tun hat.“

Während die Menschen in Dresden, Mühlberg oder Bitterfeld noch Sandsäcke schleppen, ist die Flut, trotz anders lautender Beteuerungen, im Wahlkampf angekommen. Dummerweise ist die Ausgangsposition der Union nicht die beste. „Es gibt keine CDU/CSU-Katastrophenhilfe, es gibt keine rot-grüne Katastrophenhilfe. Wir sind ein Land“, sagt Bundesaußenminister Joschka Fischer. Zusammenstehen müsse man jetzt. Gesagt hat er das im Rheingau, wo die Sonne scheint und Fischer gerade Wahlkampf macht. Natürlich ist der Bundesaußenminister lange vor Stoiber in Dresden gewesen. Am letzten Montag joggte er wahlkampfträchtig durch die Stadt – bei strömendem Regen. Allerdings brach Fischer seine Trainingsrunde ab. Ihm dämmerte wohl, dass sich die Dresdner zurzeit für anderes als die Bundestagswahl interessieren.

Wahlkampf also. Bestimmt wird er von zwei Themen: Wie die Schadensbehebung finanzieren und was gegen Wiederholungen tun? Klar scheint, dass Milliarden aufgebracht werden müssen. Erwog die SPD noch vor Tagen, Steuerhinterzieher zu amnestieren, sollen die jetzt nicht nur straffrei ausgehen, sondern mit ihrem hinterzogenen Geld sogar noch profitieren dürfen. SPD-Fraktionschef Ludwig Stiegler regte im Hessischen Rundfunk eine „Sünderanleihe“ an, die er als „Rückkehrhilfe“ für bis zu dreistellige im Ausland geparkte Milliardenbeträge sieht. Die FDP will dagegen alle Steuerzahler zur Kasse bitten.

„Jeder Bürger, der Steuern zahlt, überweist 10 bis 15 Euro als Akt der Solidarität“, schlug die bayerische FDP-Vorsitzende Sabine Leutheusser-Schnarrenberger vor. So großzügig ist der CDU-Ostspezi und Fraktionsvize Günter Nooke nicht. „Ich bin für einen einmaligen Flut-Cent als Solidaritätsbeitrag“, zitierte ihn die Bild am Sonntag. Würde Leutheusser-Schnarrenbergers Vorschlag Realität, kämen bei 40 Millionen Erwerbstätigen 600 Millionen Euro zusammen. Bei Nooke wären es 400.000 Euro.

FDP-Vize Rainer Brüderle forderte, die Devisenreserven der Bundesbank zu nutzen. Und dann geistert immer noch der vorgezogene Solidarpakt II als sprudelnde Geldquelle in der politischen Erklärungsflut. Bundeskanzler Gerhard Schröder immerhin ist vorsichtiger geworden. Er versicherte, „die notwendigen Mittel zu mobilisieren“, ließ allerdings offen, wie dies geschehen soll. Die Grünen wollen auf keinen Fall, dass die im Maastricht-Vertrag festgelegte zulässige Staatsverschuldung überschritten wird. Derzeit liegt sie mit knapp 3 Prozent des Inlandsprodukts an der Grenze dessen, was nach dem europäischen Vertrag erlaubt ist. Eine Kabinettssondersitzung soll heute Details klären.

Womit wir beim zweiten Thema sind. Es gehe hier nicht um Klimaschutz, sondern um ein Hochwasser, hatte Edmund Stoiber erklärt. Das sehen seine Parteikollegen ganz anders. Nach CDU-Chefin Angela Merkel sprach sich auch Sachsen-Anhalts Regierungschef Wolfgang Böhmer für den Neubau von AKWs aus, um „den Schadstoffausstoß zu reduzieren“. Worauf die Atomindustrie nach gestrigen Angaben eines Sprechers gar nicht erpicht ist. Für Kanzler Schröder ist die Wasserwelle dagegen Beleg dafür, dass seine Regierung mit ihrer Umweltpolitik für mehr Klimaschutz richtig liege. „Diesen Weg werden wir unbeirrt weiter gehen“, erklärte Schröder.

Vorsichtige Stimmen haben derzeit keine Chance. „Die Flut hat gezeigt, dass wir den Fluss nicht ausbauen dürfen“, sagte etwa Sachsens Umweltminister Steffen Flath (CDU). Das passt gerade schlecht. Es ist Wahlkampf. Immerhin zeitigt der Wirkung. Nach der jüngsten Forsa-Umfrage gewinnen SPD und Grüne jeweils 1 Prozent. Erstmals seit Monaten verfügen damit FDP und Union nicht mehr über eine Mehrheit.

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