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Politwerbung mit Fußball gilt nicht

Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz rügt CDU-Landtagsfraktionschef Christoph Böhr. Fraktionsgelder wurden für WM-Broschüre zweckentfremdet. Gericht urteilte: Fußball habe keinen „hinreichenden Bezug zur parlamentarischen Arbeit“

aus Freiburg CHRISTIAN RATH

Fraktionen sollen sich um Politik kümmern, nicht um Fußball. Dies stellte gestern der Verfassungsgerichtshof von Rheinland-Pfalz klar. Bloße Imagewerbung ohne Parlamentsbezug ist den Fraktionen verwehrt.

Ausgelöst hatte den Streit der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Christoph Böhr. Der etwas farblose promovierte Philosoph wollte sich im Vorfeld der Fußball-WM 1998 als Sportsfreund profilieren und ließ eine Broschüre mit dem WM-Spielplan verteilen. Titel: „Nix Politik, Fußball“. Auflage: 1,2 Millionen Exemplare, die verschiedenen Tageszeitungen beigelegt wurden. „Die WM geht mir den ganzen Tag nicht aus dem Kopf. Auf welche Stürmer setzt Berti Vogts?“, fragte sich Böhr in der Broschüre. Die Kosten in Höhe von 145.000 Mark übernahmen je zur Hälfte die Landespartei und die CDU-Fraktion.

Die Staatsanwaltschaft in Mainz sah in der Verwendung von Fraktionsgeldern für die WM-Informationen eine Veruntreuung von Staatsgeldern und leitete ein Ermittlungsverfahren gegen Christoph Böhr ein. Die CDU wehrte sich mit dem Argument, die Fraktion dürfe auch „Imagewerbung“ für ihr Führungspersonal betreiben. Anders könne man in der Mediendemokratie keine Aufmerksamkeit beim breiten Publikum erzielen.

Für Böhr war die Geschichte doppelt peinlich. Zum einen war die CDU angesichts der schwarzen Kassen in Hessen und Exkanzler Kohls geheimen Spendern ohnehin in der Defensive. Zum anderen stand Böhr nach dem Trierer Caritas-Skandal auch selbst unter Druck. Der Mann, der die Caritas ausgeplündert hatte, war Kassenwart der Trierer CDU und Böhr hatte als Parteivorstand von ihm Gelder unbekannter Herkunft angenommen.

Umso mehr war Böhr bemüht, die Vorwürfe wegen der Fußballbroschüre aus der Welt zu schaffen. Von Landtagspräsident Christoph Grimm (SPD) verlangte er eine Erklärung, dass auch Imagewerbung eine zulässige Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen sei. Als dieser schwieg, verklagte ihn die CDU beim Landesverfassungsgericht in Koblenz.

Die Richter rügten nun Grimms Schweigen. Er hätte durchaus Auskunft zur Rechtslage geben müssen. Diese sehe allerdings anders aus, als die CDU annehme. Die Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen müsse „einen hinreichenden Bezug zur parlamentarischen Tätigkeit aufweisen“, sagte Karl-Friedrich Meyer, der Präsident des Verfassungsgerichtshofes, gestern bei der Urteilsverkündung. Bloße Imagewerbung sei dagegen Aufgabe der Parteien. Die CDU will das Geld für die Broschüre an den Landtag zurückzahlen.

In einem anderen Punkt hatte die CDU sogar Recht bekommen. Plakate mit dem Konterfei Christoph Böhrs durfte die Fraktion kofinanzieren. Die Fraktion hatte erklärt, dass sie diese Plakate nur für die Ankündigung von Fraktionsveranstaltungen benutzt habe. Nach Ansicht des Koblenzer Verfassungsgerichts ist nun auch das Ermittlungsverfahren gegen Böhr hinfällig. (Az: VGH O 3/02 )

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