Nazi-Szene im Aufwind?

Immer mehr kleine Nazi-Grüppchen in Bremen und umzu zählen Bremer Antifaschisten. Wird Bremen zum regionalen Stützpunkt der Jungnationalen ausgebaut? Der Verfassungsschutz winkt ab

Ein Erstarken der Nazi-Szene im Bremen und umzu befürchten Bremer AntifaschistInnen. „Man kriegt das Gefühl, dass die Rechten stärker, mutiger und selbstsicherer werden“, sagt Holger, Sprecher von „Kick it“, einem Zusammenschluss verschiedener Bremer Antifa- und Anti-Rassismus-Gruppen.

Das Bremer Landesamt für Verfassungsschutz will das nicht bestätigen. Rechtsextremismus-Experte Lothar Jachmann verweist stattdessen auf den jüngsten Extremismusbericht. „Die Zahl der Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund ist in Bremen rückläufig“, heißt es dort. Und: „Die öffentlichkeitswirksamen Aktionen der rechtsextremistischen Parteien sind in den letzten Monaten deutlich zurückgegangen.“

Holger weiß da anderes zu berichten. Die Zahl der Straftaten sei zwar zurückgegangen, die öffentlichen Aktivitäten der Rechten aber nach wie vor ungebrochen. So seien erst letztes Jahr an mehreren Bremer Schulen in großer Anzahl Nazi-Aufkleber „made in Bremen“ aufgetaucht. In Bremen-Vegesack, Bremerhaven und Oldenburg marschierten NPDler mit Gleichgesinnten anderer rechtsextremistischer Gruppen in Aufzügen durch die Straßen. Und am 20. April feierten Rechte in Bremen und an der Gedenkstätte des KZ-Außenlagers „Bahrsplate“ in Bremen-Blumenthal den Geburtstag „ihres Führers“.

In Osterholz-Scharmbeck wetterten die Jungen Nationaldemokraten (JN) vom „JN-Stützpunkt Osterholz“ auf Flugblättern gegen die „linken Terroristen im Kulturzentrum Kleinbahnhof (KUZ)“. Die Scheiben des KUZ wurden nach Angaben von „Kick it“ in diesem Jahr bereits mehrmals eingeworfen, Hakenkreuze zierten die Hauswände.

Auch in Bremen regt sich die Szene. Anfang Juli warb die NPD auf dem Wochenmarkt in Findorff um Anhänger, einen Monat später marschierten die Nazis als Demonstrationszug durch den Stadtteil. Und in Horn-Lehe, Wohnort des Vorsitzenden der niedersächsischen Jungnationalen Andreas Hartfiel, tauchten in den letzten Monaten immer häufiger rechtsradikale Plakate und Aufkleber auf. „Da formiert sich auch eine rechte Jugendgruppe“, weiß Holger.

„Immer mehr kleinere Grüppchen von Rechten“ glauben die Antifas im Bremer Umland ausmachen zu können, selbst dort, wo es vor zwei Jahren noch „nichts Erwähnenswertes“ gegeben habe. Auf Flugblättern sei sogar eine „Kameradschaft Schwachhausen“ bereits in Erscheinung getreten. Zwar sind die Zusammenhänge noch lose und die Bedeutung der Gruppierungen nach Ansicht des Verfassungsschutzes „außerordentlich schwer zu bewerten“, und auch Holger gibt zu, dass die braunen „Kameradschaften“ nach außen hin kaum wahrnehmbar seien. Ein Grund zur Entwarnung sei das jedoch nicht, denn aus den lockeren Verbindungen heraus entwickelten sich oft genug feste Strukturen. „Auch die NPD-Kreisverbände in Verden und Diepholz haben so angefangen“, sagt Holger. „Die Zugehörigkeit von Personen, die bislang der losen Struktur um den ‚Mitgliedskern‘ der Kameradschaft zuzuordnen waren, hat sich verfestigt“, stellen die Verfassungsschützer für die „Kameradschaft Bremen“ fest.

Auf der praktischen Ebene ist die Zusammenarbeit zwischen „Kameraden“ und etwa der rechtsradikalen NPD offensichtlich. Bei Infoständen greifen die lockeren Gruppierungen auf das Partei-Material zurück, bei NPD-Demos treten die „Kameraden“ auch mal als Ordner an. „Wir befürchten, dass die NPD Bremen als weiteren JN-Stützpunkt in der Region etablieren will“, sagt Holger. Zumindest in der virtuellen Welt ist dieser „Stützpunkt“ schon Realität: Eine Bremer Internetseite hat die Nazi-Jugendorganisation bereits installiert.

Armin Simon