: Neuer Zugführer für die BVG
Aufsichtsrat beruft branchenfremden Manager an die Spitze des Berliner Nahverkehrsunternehmens. Er soll die BVG fit machen für die europäische Konkurrenz – und vor allem Kosten einsparen
von RICHARD ROTHER
Das größte Nahverkehrsunternehmen der Republik erhält einen neuen Chef. Der Aufsichtsrat der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) berief gestern den 44-jährigen Manager Andreas Graf von Arnim zum neuen Vorstandsvorsitzenden. Der Aufsichtsratsvorsitzende und Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) begründete die Berufung des branchenfremden Managers mit dessen Führungserfahrung und Sanierungserfolgen. Von Arnim sei bestens geeignet, die BVG auf dem Weg in die internationale Wettbewerbsfähigkeit aufs richtige Gleis zu bringen, so Sarrazin. „Seine Stärken liegen in der Restrukturierung und Sanierung von Unternehmen, aber auch in der Entwicklung von Strategien und Change-Management-Prozessen.“
Von Arnim, der auch stellvertrender Vorsitzender der evangelischen Gemeinde Grunewald ist, hat in verschiedensten Branchen und Firmen gearbeitet: darunter bei der Unternehmensberatung McKinsey und der Raab Karcher Sicherheit GmbH. 1998 wurde er Vertriebschef der Softwarefirma Micrologica, im Jahr 2000 wurde er Chef des Bargteheider Unternehmens. Unter von Arnims Ägide wurde das Kerngeschäft der Firma verkauft und Insolvenz beantragt.
Die Beschäftigtenvertreter im BVG-Aufsichtsrat hatten ursprünglich prinzipielle Vorbehalte gegen eine externe Besetzung des Chefpostens geäußert, letztlich aber auf eine Konfliktlinie verzichtet. Schließlich ist es ein offenes Geheimnis, dass der Senat einen Sanierer im Vostand sucht, der Kostensenkungen durchsetzen kann. Der Senat will aus der ehemaligen Behörde BVG ein wettbewerbsfähiges Unternehmen zimmern, weil künftig laut EU-Richtlinie Nahverkehrsdienstleistungen international auszuschreiben sind.
Nach dem 1999 geschlossenen Unternehmensvertrag mit der BVG will der Senat die Zuschüsse an das landeseigene Unternehmen von rund 410 auf rund 310 Millionen Euro verringern. Dazu muss die BVG weitere Arbeitsplätze abbauen. Zudem wurde eine Tochterfirma gegründet, in der ehemalige BVG-Mitarbeiter geringere Löhne erhalten.
Die FDP begrüßte gestern die Wahl von Arnims. Die BVG bedürfe eines unvoreingenomemnen Managers mit Erfahrungen in der freien Wirtschaft, so der FDP-Verkehrsexperte Klaus-Peter von Lüdeke. „Hoffentlich hat er auch den Mut, sich gegen Betriebsräte und verkrustete Strukturen durchzusetzen.“ Der Grünen-Verkehrsexperte Michael Cramer kritisierte hingegen, dass es nun offenbar einen vierten BVG-Vorstandsposten geben solle. „Wenn man einen Neuanfang will, muss man auch an der Spitze sparen.“
Die BVG wird zurzeit von Hilmar Schmidt-Kohlhas (Sprecher), Joachim Niklas (Finanzen) und Hans-Hein Dubenkropp (Betrieb) geführt. Zur Zukunft der jetzigen Vorstandsmitglieder wollte sich ein Sprecher der Senatsfinanzverwaltung gestern nicht äußern. Jetzt habe man erst einmal einen neuen Chef. „Alles Weitere muss man später sehen.“
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