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Pläne für die Zeit nach Saddam

Den Sturz des irakischen Diktators streben sämtliche Oppositionsparteien an. Ein militärisches Eingreifen der USA jedoch befürworten nicht alle

von THOMAS UWER

Es darf weiter spekuliert werden, um wen es sich bei der „Demokratischen Irakischen Opposition in Deutschland“ (DIOD) genau handelt, die am Dienstag mit der Botschaftsbesetzung in Berlin auf sich aufmerksam machte. Eines zumindest steht fest: Es war entgegen der per Fax versandten Erklärung der Gruppe nicht „die irakische Opposition“, die dort in der Botschaft „geschlossen und vereint“ zusammen stand. Daran ließ eine bereits am Dienstag von mehreren auch in Deutschland aktiven Oppositionsparteien verbreitete Erklärung keinen Zweifel, in der die Besetzung der Botschaft scharf kritisiert wird.

Die „Koalition demokratischer Irak“ (KdI), von der die Erklärung stammt, ist eine Arbeitsplattform aus irakischen Oppositionellen und deutschen Organisationen. Ziel des Bündnisses ist die Koordination von Aktivitäten, wie etwa eine gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit. Wie nötig dies ist, hat sich gerade gezeigt. Während der Konflikt zwischen Saddam Hussein und der UNO als medialer Dauerbrenner sogar im Wahlkampf aufgegriffen wurde, nahm man von der Existenz einer irakischen Opposition in Deutschland bislang kaum Notiz. Dabei sind alle wichtigen Organisationen, die nun auch als mögliche Regierungsparteien nach einem Sturz Saddams gehandelt werden, in Deutschland aktiv. Daneben existiert eine Vielzahl kultureller Vereine und irakischer Menschenrechtsgruppen.

So unterhalten etwa die Kurdische Demokratische Partei (KDP) Massud Barsanis und Dschalal Talabanis Patriotische Union Kurdistans (PUK) eigene Vertretungen, die einen fast schon offiziellen Charakter besitzen. Seit 1991 kontrollieren sie große Teile des Nordirak. Die international nicht anerkannte Region ist der wichtigste Rückhalt der Opposition gegen Saddam Hussein. Bis 1996 war dort das von den USA gestützte Bündnis Irakischer Nationalkongress (INC) aktiv, dessen Arbeit im Nordirak aber von einer irakischen Militäroffensive beendet wurde. Vielen Irakern gilt die Region als Vorbild für eine künftige Regierung. Nach langen innerkurdischen Auseinandersetzungen haben sich KDP und PUK auf eine enge Zusammenarbeit geeinigt und eine relative Stabilität geschaffen. Entsprechend zurückhaltend reagierten beide Parteien bis dato auf US-amerikanische Angriffspläne.

Auch schiitische Gruppen wie der aus dem Iran operierende „Hohe Rat des irakischen Widerstands“ (SCIRI) oder die ebenfalls schiitisch-islamisch orientierte Dawa-Partei sind in Deutschland präsent. Während SCIRI einer möglichen Unterstützung der USA gegenüber offen ist, lehnt Dawa ein Eingreifen von außen ab. Beide einst konkurrierenden Gruppen haben sich auf gemeinsame demokratische Grundsätze geeinigt und kooperieren mit Parteien, die ihnen einst als Gegner galten.

Beispielsweise die Irakische Kommunistische Partei (ICP). Einst größte Partei des Landes, ist die ICP unter der Repression Saddam Husseins zu einer heute eher unbedeutenden Gruppe geschrumpft. Gemeinsam mit der Dawa-Partei bildet die ICP den „nationalen Flügel“ der Opposition, der Verhandlungen mit der US-Regierung ablehnt. Gruppen wie der ICP könnte zukünftig dennoch die wichtige Rolle zukommen, als gesamtirakische Partei ein Gegengewicht zu den regional verankerten kurdischen und schiitischen Parteien zu bilden. Viele irakische Exilanten unterstützten einst die Partei. In Deutschland sind ihre Mitglieder meist in Menschenrechtsgruppen aktiv.

Einzig die Königstreuen sucht man in Deutschland vergeblich. Eine Rückkehr der in den Fünfzigerjahren gestürzten Monarchie indes dürften die Oppositionsparteien ohnehin verhindern.

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