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Musharrafs „gelenkte Demokratie“

Pakistans Militärmachthaber Pervez Musharraf will auch nach den Wahlen seine diktatorischen Vollmachten behalten

DELHI taz ■ Pakistans Präsident Pervez Musharraf hat am Mittwoch in Islamabad erklärt, er werde an den meisten Verfassungsänderungen festhalten, die er in den letzten Monaten angekündigt hatte und die seine Macht auch über die Wahlen vom 10. Oktober hinaus zementieren werden. Dazu gehört die Wiedereinführung des Verfassungsartikels 58. Der erlaubt es dem Präsidenten, das Parlament aufzulösen. Musharraf besteht auch auf Einführung eines „Nationalen Sicherheitsrates“, der die vier Militärchefs umfasst und Premier und Regierung entlassen kann. Dis Recht zur Berufung des Militärchefs wird vom Premier auf den Präsidenten übertragen.

General Musharraf, der im Oktober 1999 in einem unblutigen Putsch an die Macht kam, gewann Ende April ein umstrittenes Referendum, das ihn als Präsidenten für fünf weitere Jahre bestätigte. Die Verfassungsänderungen kündigte er vor zwei Monaten an und forderte zur Diskussion darüber auf. Außer einigen kleinen Parteien sprachen sich die meisten politischen Gruppen und die nichtstaatliche Presse dagegen aus. Sie kritisierten vor allem die Anmaßung so kurz vor der Wahl des Parlaments, dem einzigen verfassunggebenden Organ, per Dekret tiefgreifende Änderungen durchzuboxen. Nun zeigt sich, dass er an den meisten Vorgaben festhält. „Die Mehrheit der Leute sprach sich dagegen aus“, sagte er jetzt zur Einführung eines Sicherheitsrates. „Doch ehrlich gesagt finde ich ihn sehr wichtig, und so wird er eingeführt.“

Beobachter in Pakistan sind der Meinung, dass Konflikte zwischen dem gewählten Parlament und dem Präsidenten und Sicherheitsrat programmiert sind. Bei einem Treffen am letzten Samstag in Lahore versicherten die Vertreter der meisten großen Parteien, dass Musharrafs Verfassungsänderungen antikonstitutionell sind. Sollten ihre Parteien eine Parlamentsmehrheit erhalten, würden sie die Änderungen wieder zurücknehmen. Doch niemand glaubt, dass Musharraf es dazu kommen lassen würde, da er die Macht hat, das Parlament aufzulösen.

Zu solchen Befürchtungen geben nicht nur Musharrafs jüngste Äußerungen Anlass, sondern auch staatliche Versuche der Wahlmanipulation. So bekommt etwa die Nationale Demokratische Allianz, ein Zusammenschluss „königstreuer“ Kleinparteien, in den staatlichen Medien sehr viel Platz, während die großen Volksparteien ausgeblendet werden.

Die Wahlkommission gab zudem bekannt, dass politische Aktivitäten erst wieder ab dem 13. September erlaubt sind. Das gibt den Parteien weniger als einen Monat für den Wahlkampf. Politische Umzüge sind ohnehin verboten und öffentliche Auftritte beschränken sich auf einige Großveranstaltungen. Ein weiteres Manipulationsinstrument ist die Einladung der Regierung an die von ihr eingesetzten Distriktchefs, sich als Parlamentskandidaten zur Verfügung zu stellen.

Die größten Einschränkungen betreffen die Muslim-Liga des früheren Premiers Nawaz Sharif und die Volkspartei PPP von Benazir Bhutto. Beiden Politikern ist die Rückkehr ins Land versperrt, wo auf sie Strafverfahren wegen Korruption warten. Zudem dürfen seit kurzem Expremiers nicht mehr kandidieren, wenn sie schon zwei Amtsperioden hinter sich haben, ein auf Bhutto und Sharif maßgeschneidertes Gesetz.

Die Muslim-Liga musste daher einen neuen Vorsitzenden ernennen. Die PPP, die nicht auf ihre Präsidentin verzichten wollte, gründete eine neue Formation, die „PPP-Parlamentarier“, um überhaupt als politische Partei anerkannt zu werden. Beide Parteien, die sonst verfeindet sind, haben angesichts der Hürden Absprachen getroffen. Bhutto kündigte vor kurzem an, sie werde mit Journalisten und befreundeten US-Politikern im Schlepptau bald nach Pakistan zurückkehren. Dies stehe ihr frei, sagte Musharraf, doch dann werde sie verhaftet. BERNARD IMHASLY

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