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Die Flut sickert nach Bremen

Der Streit um die Finanzierung der Hochwasser-Kosten spielt auch an der Weser. Zudem ist noch unklar, ob über den Mittellandkanal verseuchtes Elbewasser an die Schlachte schwappen könnte

Die Flut kostet: „Nationale Aufgabe“ oder 40 Millionen Euro Miese?

Jetzt ist sie auch im Norden angekommen, die Zeit der Deichgrafen, die Zeit der Freiwilligen und Schulklassen, die zum Sandsackschippen an die Elbe fahren – und die Zeit, wo die Jahrhundertflut langsam und sicher auch nach Bremen sickert: Der Streit um die Lasten des Hochwassers betrifft auch die Länder. Am Donnerstag kündigte Finanzsenator Hartmut Perschau (CDU) an, die von der SPD geplante Verzögerung der Steuerreform um ein Jahr werde den Stadtstaat 40 Millionen Euro kosten.

Dass das ein wohldosierter Seitenhieb auf die rot-grüne Koalition in Berlin ist, wird klar, wenn sein Sprecher Stefan Luft sagt, es sei ja noch längst nicht klar, ob das mit der verlegten Steuerreform was werde: „Nach den Vorstellungen der Unionsparteien werden die Flutkosten die Länder nicht belasten.“ Die Union plant, den Wiederaufbau mit den Gewinnen der Bundesbank zu finanzieren. Ergo habe es vor der Wahl auch keinen Sinn, darüber zu reden, wie Bremen denn die Ausfälle ausgleichen wolle. Luft: „ungelegte Eier“.

Genauso kritisch ist auch der Bremer Finanzwissenschaftler Rudolf Hickel. Per dpa ließ er verkünden, die Verschiebung der Steuerreform sei „sozial ungerecht“. Der Grund: der Verzicht auf Steuererleichterungen treffe vor allem die Lohn- und Gehaltsbezieher. Dies führe zu einer sozialen Schieflage, weil Kapitalgesellschaften nicht belastet würden. Stattdessen solle der Bund Kredite aufnehmen. Die Stabilitätskriterien der EU ließen das zu.

Bei der SPD sieht man das naturgemäß anders – und lässt sich nicht lumpen. „Jetzt ist nicht die Zeit für kleinliche Erbsenzählerei“, betont Fraktionssprecher Werner Alfke. Die Bewältigung der Flutkosten sei eine „nationale Aufgabe“. Die Bremer müssten solidarisch mit den notleidenden Ländern sein – das arme Bremen habe von dort auch schon „Solidarität erfahren“.

„Die Lage in Bremen ist nicht so schwierig, dass wir uns nicht beteiligen könnten“, sagt auch Karoline Linnert, die Bremer Fraktionschefin der Grünen. Zudem baut sie auf Basishilfe. Nicht nur, dass die gesamte Bürgerschaft ihr Sitzungsgeld für die Unterwasser-Opfer gespendet hat. Die Weser-Grünen sind auch selbst in Aktion getreten. Linnert: „Wir haben Kontakt zu den Grünen in Dresden aufgenommen.“

Noch redet niemand über die Möglichkeit einer echten Hochwassergefahr für Bremen: dass nämlich per Mittellandkanal, der bei Minden die noch fast taufrische Weser kreuzt, das Dreckswasser aus den Flutgebieten direkt an die Schlachte schwappen könnte. Der Mittellandkanal kommt nämlich aus dem hochwassergeplagten Magdeburg. Und dort gibt es ausgefallene Kläranlagen und andere überflutete Dinge, die besser nicht ins Flusswasser gelangen sollten. Die Hamburger Behörden haben schon gewarnt, dass Elbewasser zu benutzen (siehe Seite 26).

Das Bremer Umweltressort gibt allerdings Entwarnung: „Wir befürchten keine Probleme“, sagt Sprecher Holger Bruns. Die Messstelle am Café Sand checke ständig die Wasserqualität der Weser. Bruns: „Falls doch etwas kommt, können wir auf jeden Fall sofort darauf reagieren.“

Kai Schöneberg

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