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Uran aus Terrorangst ausgeflogen

Serben, Russen und Amerikaner bringen aus Angst vor potenziellen Terroristen in einer Geheimaktion Uranbrennstäbe von Belgrad nach Russland, wo sie waffenuntauglich gemacht werden sollen. Private US-Organisation bezahlt Großteil der Aktion

von SVEN HANSEN

In einer nächtlichen Geheimaktion unter Beteiligung von Hubschraubern und 1.200 schwerbewaffneten Polizisten und Soldaten sind am Donnerstag 6.000 Brennstäbe mit hoch angereichertem Uran vom jugoslawischen früheren Atomforschungszentrum Vinca bei Belgrad nach Russland ausgeflogen worden. Dort soll in der Atomanlage Ulyanowsk an der Wolga, 550 Kilometer südöstlich von Moskau, der Urangehalt der Brennstäbe von 80 auf 20 Prozent gesenkt werden. Damit werde die mögliche Nutzung für Atomwaffen verhindert, wie der serbische Minister für Wissenschaft, Technologie und Entwicklung, Dragan Domazet, nach der Aktion in Belgrad erklärte.

Die insgesamt 17-stündige Aktion sei geheim gehalten worden, um einen möglichen Diebstahl des Urans durch Terroristen zu verhindern, sagte Domazet. Während des Transports habe es keinerlei Gefährdungen der Bevölkerung gegeben. Die strengen Sicherheitsmaßnahmen seien allein eine Vorsichtsmaßnahme gegen Terroristen gewesen. „Diese Brennstäbe sind vollkommen harmlos bis sie in einem Reaktor brennen“, behauptete Domazet.

Die gesamte Ladung der je 11,5 Zentimeter langen Brennstäbe mit einem Durchmesser von je 3,8 Zentimeter reicht für den Bau von zwei bis drei Atombomben. Sie waren 1976 von der damaligen Sowjetunion zu Forschungszwecken nach Jugoslawien geliefert worden. Nachdem der Reaktor der aus den 50er-Jahre stammenden Forschungsanlage Vinca 1984 geschlossen wurde, blieben die Brennstäbe dort. Eine Studie der US-Universität Harvard vom Frühjahr zählte weltweit 350 Forschungsreaktoren in 58 Staaten, in denen hoch angereichertes Uran genutzt wird. Der angereicherte Stoff ist potenzielles Ziel für „Schurkenstaaten“ und Terroristen. Das Uran in Vinca zählte nicht nur zum am wenigsten gesicherten, sondern hätte auch relativ leicht für Atomwaffen benutzt werden können, berichtete gestern die Washington Post. Eine konkrete Drohung habe es aber nicht gegeben.

Laut dem Blatt sei in Vinca schon unter dem früheren jugoslawischen Machthaber Tito insgeheim an der Herstellung von Atomwaffen geforscht worden. Ein Teil der damaligen Wissenschaftler arbeite noch heute dort. Laut Washington Post hätten westliche Regierungen in der Vergangenheit befüchtet, dass jugoslawische Militärs das Uran möglicherweise missbrauchen könnten. In der Amtszeit von Slobodan Milošević sollen sogar ausländische Regierungen, darunter die des Irak, Interesse an dem Uran geäußert haben.

Die jetzige Geheimaktion sei über ein Jahr lang vorbereitet worden. Dabei hätten ungewöhnlicherweise serbische, russische und US-Behörden, eine US-Nichtregierungsorganisation und die Internationale Atomenergiebehörde in Wien eng zusammengearbeitet. Erstmals hätte Moskau akzeptiert, aus Russland stammendes Uran wieder zurückzunehmen, was in früheren Fällen noch verweigert worden sei.

Nachdem Milošević im Oktober 2000 die Macht verlor, hatte sich die neue prowestliche Regierung Jugoslawiens darum bemüht, das Uran loszuwerden. Ungewöhnlicherweise wandte die von Belgrad angefragte US-Regierung sich an die amerikanische Nichtregierungsorganisation „Nuclear Threat Initiative“ (NTI). Die vom frühren demokratischen Senator Sam Nunn und dem Medienmogul Ted Turner gegründete Organisation umfasst hochkarätige Wissenschaftler und Expolitiker aus Nordamerika, Europa, Russland, Japan und China und setzt sich für eine Reduzierung des von Atomwaffen ausgehenden Risikos ein, das seit dem Ende der Blockkonfrontation eher gewachsen ist.

Für die jetzt auf mindestens zehn Millionen US-Dollar veranschlagte Aktion zahlte NTI laut serbischer Regierung fünf Millionen, die US-Regierung 720.000 und die internationale Atomenergiebehörde weitere fünf Millionen. Laut Washington Post hätte die US-Regierung wegen strenger Auflagen des Kongresses nicht mehr Geld bezahlen können, weshalb bei der NTI angefragt worden sei.

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