: Ente mit Sommergemüse
Die politischen Beobachter rätseln, welchen Einfluss das TV-Duell zwischen Schröder und Stoiber auf das Wahlverhalten hat. Fest steht dagegen, was es dort zu essen gibt
BERLIN taz ■ Über das TV-Duell ist mittlerweile alles bekannt: Für die Duellanten gibt es nur Mineralwasser, für die Gäste dagegen Vierländer Ente mit Sommergemüse, berichtet die Bunte. Der Kanzler wollte am Ende doch kein Hockerchen, um seine 1,74 Meter gegen Edmund Stoibers 1,87 auszugleichen, weiß der Stern. Der zuständige TV-Regisseur Volker Weicker inszeniert sonst Boxkämpfe und die Fußball-WM-Übertragungen, schreibt die Welt.
Völlig offen bleibt nur, wieweit das Wortgefecht tatsächlich das Wahlverhalten beeinflusst. Die Expertenschätzungen reichen von 1 Prozent bis zu 15 Prozent der Wählerschaft, die ihre Stimmabgabe vom Abschneiden der Kontrahenten abhängig machen könnten. Zwar hoffen RTL und Sat.1 bei ihrem Gemeinschaftsprogramm auf zehn Millionen Zuschauer – aber selbst das wären nur rund 17 Prozent der Wahlberechtigten.
Auf Werbepausen wird während der 75 Duellminuten verzichtet, deren eigens entwickeltes Regelwerk mühelos einen mittleren Büroordner füllt. Davor und danach sind die Reklameblöcke aber nach Senderangaben gut gefüllt. Das anschließende Beiprogramm mit Nachbericht und Analysen macht aus der Polit-Übertragung dann endgültig einen TV-Event.
Die Fernsehkritiker des Adolf-Grimme-Instituts fürchten, dass eine „demokratische Chance“ verspielt wird. Das Duell werde nicht „wie ein wichtiges Element der politischen Meinungsbildung“ neutral übertragen, sondern „mit Trailern, Countdown, Liveereignis, Vor- und Nachbereitung dramaturgisch inszeniert wie ein Sport-Highlight“, sagt Grimme-Chef Bernd Gäbler: „Fehlt nur noch, dass die besten Sätze anschließend in Zeitlupe wiederholt werden.“
Medienkritik und Politikwissenschaft wollen gleich nach dem TV-Duell mit einer „empirischen Synchronanalyse“ im Deutschlandradio Berlin gegenhalten. Neben Gäbler sind die Medienexperten Lutz Hachmeister und Roland Schatz sowie die Politologen Christine Landfried und Claus Leggewie dabei. Die Radioübertragung des Duells selbst, die der Deutschlandfunk Köln plante, ließen die Privatsender gerichtlich untersagen.
Egal wer am Sonntag gewinnt: Die zweite Duellrunde läuft am 8. September in ARD und ZDF. Dann gibt es neben dem niedersächsischen Geflügel bestimmt auch bayrische Schmankerln.
STEFFEN GRIMBERG
„Das TV-Duell“, Sonntag, 20.15 Uhr auf Sat.1 und RTL, Analysen ab 21.45 Uhr auf RTL, Sat.1, n-tv und ARD
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen