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Mit den Drachen tanzen

Mit neuen Sicherheitsstandards nach einigen schweren Unfällen wurde auf Fehmarn die Kite Surf Trophy fortgesetzt. Der schnelle Boom der jungen Trendsportart Kitesurfen birgt auch viele Risiken

von Fehmarn OKE GÖTTLICH

Tim Ellwart ist ein Freund schwarzen Humors. Während der Vorstellung des Hauptsponsors für die am Wochenende auf Fehmarn durchgeführte Kite Surf Trophy fragt der Tourismusdirektor der Insel, ob die Produkte der werbenden Firma nicht eine „Hinterlist für die Kite-Surfer“ seien. Die Nordex AG produziert Energie mitWindrädern, die meist weit draußen auf dem Meer erbaut sind.

Die Zuhörer lachen nur gequält, denn zuletzt hatten einige tragische Unfälle das spektakuläre Treiben mit dem in 30 Meter Höhe über dem Surfer stehenden Gleitschirm überschattet. Bei Spitzengeschwindigkeiten um 50 Stundenkilometer und Sprüngen, die den Surfer bis zu zehn Meter in die Höhe und hundert Meter weit reißen können, kam es zu einer Serie von Vorfällen, die dem Image des boomenden Trendsports schadeten. „Bitte schreibt nicht immer nur über die Unfälle“, gibt Peter Fleischhauer als Kiter der ersten Stunde zu bedenken, „es wird wie in anderen Sportarten auch immer wieder zu Unfällen kommen.“

Vor allem der tödliche Unfall der Deutschen Meisterin Silke Gorldt sorgte für Presseberichte. Nun versuchen die Veranstalter bei der Fortsetzung ihrer Wettbewerbsreihe Kite Surf Trophy, mit neuen Sicherheitsvorschriften und Regularien die Unfallgefahren einzudämmen. Bei der Veranstaltung wird das Material umfangreichen Prüfungen unterzogen, und so genannte Notauslösesysteme sind vorgeschrieben. Ebenso sind Helm und Rettungsweste Pflicht, woran sich die Kiter erst gewöhnen müssen. „Es gibt eben viele, die keine Lust haben, einen Helm zu tragen“, sagt Siljan Schröder, der auf Fehmarn um die tausend Euro Preisgeld fuhr. Mangelnde Sicherheitsausstattungen sind auch ein Problem der etablierten Windsurfindustrie, die mit schnell entwickelten Ausrüstungen am Kitesurf-Boom partizipieren wollte. Vom Jahr 2000 an verdoppelten sich die Verkaufszahlen der Kite-Schirme.

Die Sportler selbst sind noch unsicher, wie sie den negativen Vorfällen begegnen wollen. Auf dem Weg des Trendsports zu einer organisierten Bewegung mit einheitlichen Verhaltens- und Sicherheitsregeln ist unter den Fahrern noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten. In Gesprächen mit dem Deutschen Seglerverband (DSV) und dem Verband deutscher Windsurfing Wassersportschulen (VDWS) versuchen die veranstaltenden Agenturen AMC und Brand Guides, eine „Klammer über eine Vielzahl individueller Veranstaltungen darzustellen“, wirbt Thilo Trefz von Brand Guide. Jens Meier, Segelsurfobmann des DSV, geht noch einen Schritt weiter: „Die Kiter müssen sich in die vorhandene Struktur des DSV integrieren. 2003 kann eine Wettbewerbsserie nur mit Teilnehmern funktionieren, die in einem Verband organisiert auftreten.“ Meier wollte die Veranstaltung auf Fehmarn nutzen „um zu sagen, dass etwas passieren muss.“ Er hofft besonders auf die vorhandenen Kontakte des DSV, die „helfen sollen, den Kitern die Reviere zu sichern.“ Viele Kurverwaltungen an Nord- und Ostsee beraten bereits darüber, ihre Reviere für den Sport zu sperren, da rücksichtslose Kiter den Tourismusbetrieb störten.

Peter Fleischhauer, Gründer der European Kiterider Association, steht den Übernahmegelüsten des Verbandes skeptisch gegenüber. „Auch der DSV kann keine Sheriffs in die Gegend schicken, um die Reviere zu checken. Die möchten doch nur Geld an uns verdienen und ihre Mitgliederzahlen schönen“, glaubt er. „Viel wichtiger sind die Locals vor Ort, die mit den Behörden die Reviere klären müssen“, ergänzt er. Freiheitsliebende Funsportler haben wenig Lust auf strikte Organisation und schon gar „keinen Bock auf alte Verbandsheinis“, wie Insider sagen.

Eine Spaltung zwischen dem etablierten Verband DSV und einer eigenen Verbandsstruktur von Aktiven steht bevor. Selbst wenn Fleischhauer versichert, sich erst mal anhören zu wollen, wie sich der Verband tatsächlich einsetzen könne. „Es ist doch offensichtlich, dass wir nicht viel mit Surfen oder Segeln zu tun haben. Die einzige Möglichkeit besteht darin, innerhalb des Verbands eine eigene Abteilung zu gründen“, so Fleischhauer. Den vermarktenden Agenturen kann es hingegen nicht schnell genug gehen. „Im Sinne des Sports versuchen wir, durch eine Organisationsform Sponsoren zu akquirieren, um den Sport noch populärer zu machen“, erklärt Trefz sein Anliegen.

Genau darin liegt der Grund für viele Probleme des faszinierenden Drachentreibens. Viele Anfänger glauben, den Sport mal eben im Urlaub ausprobieren zu können, ohne vorher eine Kiteschule zu besuchen und sich über die Gefahren zu informieren. „Gerade in der Start- und Landephase sowie beim Erlernen der ersten Manöver gibt es bei vielen ungeübten Kitern die meisten Unfälle“, erklärt Marc Ziegler vom Forschungsbereich Sportmedizin an der Universität Hamburg, der aktuell eine Studie zum Thema Unfallgefahren beim Kitesurfing anfertigt. Deshalb werden von vielen Fachgeschäften Kiteschirme nur noch an Inhaber eines durch den VDWS ausgestellten Kitescheins verkauft. Das ist im Sinne der professionellen Fahrer um Peter Fleischhauer. „Wir können uns doch nicht von den fünf Prozent Chaoten unter den Kitern den Sport kaputtmachen lassen.“

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