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Land der Waffen und Gräber

Erst Cop Shoot Cop, dann Americana, aber immer schön gesellschaftskritisch: Der New Yorker Musiker Tod Ashley spielt mit seiner Band Firewater im Knaack-Club

Würden Seismographen Musik spielen, sie könnten womöglich klingen wie Firewater. Die New Yorker suchen mit schlafwandlerischer Sicherheit alle jene Stellen auf, an denen sich in der US-amerikanischen Gesellschaft tektonische Risse auftun. Ihre erste Platte hieß „Get off the Cross (We Need the Wood for the Fire)“ und wurde aufgrund des Covers, auf dem Jesus links eine Zigarette und rechts eine Schnapsflasche hielt, aus manchem Plattenladen ihrer Heimat verbannt. Der Nachfolger „The Ponzi Scheme“ kreiste um das Thema Geld und bezog sich schon im Titel auf den Begründer eines der ersten Pyramiden-Spiele, bei denen nach Kettenbrief-System sich ein paar wenige sanieren auf Kosten eines Haufens Hoffnungsvoller. Das aktuelle Album „Psychopharmacology“ vervollständigt die heilige Dreifaltigkeit, die die USA zusammenhält, und beschäftigt sich nach Religion und Kapitalismus nun mit den Produkten der Pharmaindustrie.

Firewater sind vor allem Gitarrist, Sänger und Songschreiber Tod Ashley, der mit jeder Platte nahezu die gesamte Besetzung austauscht. Seine Karriere begann Ashley bei Cop Shoot Cop (sic!), die ihre Platten „Ask Questions Later“ nannten, zynische Texte zum Zustand der Gesellschaft hinausschrien und dazu eine knarzende Mischung aus wütendem Postpunk, verzweifeltem Bluesrock und stahlkaltem Industrial spielten. Ihr Sound stützte sich auf zwei E-Bässe, während Gitarren nur in Ausnahmefällen zum Einsatz kamen. Mit denen und der entsprechend saftigen Produktion hätte Cop Shoot Cop damals, Anfang der Neunziger, unter Umständen bereits den Nu Metal vorweg genommen. So aber löste Ashley die Band auf und gründete Firewater. Wie bei so vielen vor ihm, die aus dem Alternative Rock kamen, schien auch bei ihm die Wut mit dem Alter gewichen. Seine tragikomischen Berichte von Amokläufen und Schießereien, von Überwachung und dem Dasein im Kapitalismus vertonte er fortan eher auf der Basis Americana. Die allerdings wirkte stets ironisiert und wurde flugs erweitert mit Einflüssen aus Klezmer oder mexikanischer und lateinamerikanischer Folklore.

Auf „Psychopharmacology“ ist Ashley, der sich ständig dagegen wehrt, seine Musik in Formelhaftigkeit erstarren zu lassen, plötzlich so rockig und eingängig, ja fast poppig wie nie zuvor. Bläser und Streicher hat er verschwinden lassen zugunsten einer kompakten Rockbesetzung, die veritable Hits en masse aus dem Ärmel schüttelt. So steht die offensive Melodie des Titelsongs in hartem Kontrast zu seinem bösen Text über eine Gesellschaft, in der man mit bunten Pillen alles lösen will. Anderes schleicht sich vollkommen gemütlich heran und lullt einen ein, so dass sich die Widerhaken per Wort verbeißen können. Nicht „the land of the free and home of the brave“ sind die USA für Ashley, sondern „the land of the loaded gun and the home of the grave“. Dieser Seismograph kann mit Worten umgehen und dieses Mal fast noch besser mit Melodien. THOMAS WINKLER

Heute, 21 Uhr, Knaack, Greifswalder Str. 224, Prenzlauer Berg

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