DIE CASTING-EXPERTIN: „Nur vorgefertigte Haltungen“
Wie haben Sie das TV-Duell erlebt?
Es war alles sehr genormt, es ist nichts Spannendes passiert. Die Begrenzung der Zeit empfand ich als unsinnig. Und inhaltlich hat man ja alles schon mal gelesen.
Wie beurteilen Sie den Auftritt der Kontrahenten?
Sie haben sich beide unsicher am Podest festgehalten, Stoiber war am Anfang in seiner haltung sicherlich verkrampfter. Er war auch einen Tick aggressiver als Schröder. Schröder war betont souverän, aber leicht maskenhaft. Beide haben nur vorgefertigte Haltungen präsentiert – sowohl vom Körper als auch von der Sprache.
Welchen der beiden würden Sie lieber als Bundeskanzler casten?
Das ist schwer zu sagen, denn alles war ja schon vorher festgelegt: Frisur, Krawatte, Körpersprache, Sprache. Als Casterin muss man eine Mischung finden aus Individualgeschmack und Objektivität, und das geht hier nicht. Ich würde mir von Politkern aber eigentlich das wünschen, was ich mir auch von Schauspielern wünsche, nämlich dass ihr Auftreten viel durchsichtiger, lebendiger und spontaner ist und nicht so klischeehaft. Dadurch wären sie erfrischender und für mich begreifbarer, aber darum geht es ja leider in der Politk nicht. Es geht darum, zu bestehen und keine Punkte zu verlieren. Und das sind für ein Casting die schlechtmöglichsten Bedingungen. Ich hoffe, dass die Moderatorinnen das Duell etwas lebendiger gestalten können. Sonst könnte „TV-Duell“ zum Unwort des Jahres gekürt werden. JUBÜ
Fotohinweis: An Dorthe Braker, 57, ist Trägerin des Deutschen Casting-Preises und hat Filme wie „Rossini“, „Lola rennt“ und „Absolute Giganten“ besetzt.
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