piwik no script img

Stoiber, Stillen, CDU

Durch Entblößung zum Sieg: Die Union zeigt in ihren Werbespots, was sie Stammwählern noch nie zumutete

BERLIN taz ■ Gut zwanzig Jahre nachdem die Grünen die demonstrativ entblößte Mutterbrust in die deutsche Politik einführten, hat ein stillender Busen den Weg in die Union gefunden. Im gestern vorgestellten Kinospot für Kanzlerkandidat Edmund Stoiber featuren ferner ein Vater, der vollgekackte Windeln wechselt, sowie die zappelnden Beine eines Pärchens im Bett.

Während derartige Motive längst Teil des Bilderstroms der kommerziellen Werbung geworden sind, waren die Unionsparteien gegenüber Exkrementen traditionell so zurückhaltend wie gegenüber Erotik. „Unter Helmut Kohl wäre das undenkbar gewesen“, entfährt es denn auch einer Mitarbeiterin aus dem Adenauer-Haus. Der bisher kühnste Stoiber-Slogan lautete einst: „Sommer, Sonne, CSU“.

Gerade darum erfüllen der Kinofilm sowie eine Reihe von Fernsehspots eine politische Funktion im Wahlkampf der Union: CDU und CSU wollen sich als Teil eines zeitgenössischen Lebensgefühls präsentieren, das in der Öffentlichkeit womöglich eher mit Joschka Fischer und Gerhard Schröder assoziiert wird. „Jede Szene, die Sie sehen, ist eine bewusste Entscheidung“, versicherte daher CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer und betonte die persönliche Anteilnahme der beiden Parteivorsitzenden Stoiber und Merkel an der Bildauswahl im Spot: „Die haben den beide gesehen und finden den beide sehr gut.“

Der Titel lautet übrigens „Deutschland wechselt“; die Schlusseinstellung zeigt, wie in einem Wechselrahmen ein Schröder-Foto gegen eine Stoiber-Aufnahme ausgetauscht wird. Ungeklärt blieb, ob die Beine im Bett einen Partnerwechsel symbolisieren oder eine Variation der Frage, wer liegt oben, wer liegt unten? Den verwendeten Typ Bilderrahmen hat die Union übrigens bundesweit aufgekauft – zu Werbezwecken.

In den TV-Filmen unternimmt die Union gar einen Vorstoß ins bisher sorgsam gemiedene Terrain der multikulturellen Gesellschaft. „Wir stehen für bessere Bildung“, heißt es in der Schlusseinstellung, „für alle Kinder, überall in Deutschland.“ Erstmals zeigt die Union dazu ein weißes und ein schwarzes Kind. PATRIK SCHWARZ

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen