: Ohne Pathos oder „Ausgewogenheit“
Die Regisseure genießen Vertrauen: Der Dokumentarfilm „Do It“ von Sabine Gisiger und Marcel Zwingli zeigt eine Schweizer Revolutionäre Zelle in historischen Super-8-Aufnahmen und nüchternen Interviewsituationen
„Do it“ ist ein Slogan des US-amerikanischen Aktivisten der Yippies (Youth International Party) Jerry Rubin. Er will gegen die Democratic Party-Convention 1968 in Chicago „was tun“ und trifft damit den Nerv von vielen, die damals in das Fahrwasser der New Left zwischen Rockmusik, Drogen und bewaffnetem Kampf geraten. Do It ist auch der Titel einer Dokumentation von Sabine Gisiger und Marcel Zwingli über die Mitglieder einer Revolutionären Zelle in der Schweiz.
Die Bilder aus Vietnam, von den Napalmbombenangriffen der US-Army und die Bilder aus Amerika, von den blutigen Demonstrationen an der Kent State University, erreichen 1970 auch Zürich. Helvetische Langhaarige experimentieren mit LSD, es gibt den Häuserkampf im Miniaturformat, und einige Zeit später überfallen drei radikalisierte Teens Sprengstoffdepots der Schweizer Armee mit dem „Velo“ (Fahrrad) und dem „Töfli“ (Mofa).
Kontakte zur italienischen Szene um Lotta Continua, dem spanischen MLI und Untergrund-Gruppen in Griechenland und Portugal, mit der RAF entstehen, beinahe auch mit der palästinensischen Volksbefreiungsfront PFLP und dem Topterroristen Carlos. Schließlich werden in Zürich Bombenanschläge gemacht.
Es geht nie gegen Schweizer Einrichtungen, und es kommen auch keine Menschen zu Schaden. „Wir wollten die Welt von Unterdrückung und dumpfem Materialismus befreien“, sagt Daniele von Arp, einst Mitglied der Zelle, rückblickend. Er lacht schallend. Durch die nüchterne Interviewsituation wirkt dieses Lachen desillusioniert und verrückt. Inzwischen sind Dokumente seiner Revolutionären Zelle als Exponate für das Kriminalmuseum Zürich freigegeben. Von Arps Aussagen sind gegen die Bilder der Ausstellung geschnitten. Wenn sich von Arp an damals erinnert, perlt Schweiß auf seiner Stirn. Heute gibt er anderen Menschen Auskünfte, er arbeitet als Wahrsager.
Nein, Do It ist keine Schweizer Version von Starbuck Holger Meins oder Blackbox BRD. Das Pathos des ersteren Films fehlt völlig und die Ausbalancierung – in Blackbox BRD kommt auch die Gegenseite zu Wort – wird nicht bemüht. Alle Mitglieder der Zürcher Zelle sind am Leben, zwei der drei geben sehr bereitwillig Aukunft über ihre nach-revolutionäre Zeit, über ihr Scheitern im bewaffneten Kampf. Ihre Erzählungen stehen im Mittelpunkt des Films und sie schildern ihre Erlebnisse ungehemmt und lebhaft. Die Regisseure genießen ihr Vertrauen.
Auf flimmernden Super-8-Filmen sehen wir die Aktivisten die rote Fahne über den Dächern von Zürich hissen und als Heranwachsende mit Che Guevara-Bärtchen auf einer Urlaubsreise herumalbern. Was seltsam unbeschwert beginnt, setzt sich fort in wahllosen illegalen Aktivitäten und fliegt schließlich auf. Do It vermittelt einen Eindruck von einer nicht existenziellen Mini-Rebellion. Wie sie niedergeschlagen wird und sich nach innen wendet. Nach zwanzig Jahren im „Gefängnis Schweiz“ wegen Ausreiseverbots läuft Daniele von Arp heute barfuß über heiße Kohlen. Julian Weber
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