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Eidespflicht für Schrempp & Co

US-Börsenaufsicht lehnt Ausnahmen für ausländische Unternehmen bei Bilanzregeln ab

BERLIN taz ■ Hertha Däubler-Gmelin (SPD) konnte es nicht fassen: „Das ist nicht nur Stilbruch, das geht einfach nicht“, sagte die Bundesjustizministerin und zielte damit auf die US-Börsenaufsicht SEC. Diese hatte am Dienstag erklärt, die neuen Regeln für an den US-Börsen gelistete Unternehmen gälten auch für die etwa 1.300 ausländischen Konzerne. Damit müssen die Chefs von DaimlerChrysler, Deutsche Telekom und 29 weiteren deutschen Unternehmen künftig unter anderem ihre Bilanzen vor der SEC beeiden, schneller Berichte abgeben und ihre Kontrollstrukturen anpassen. Sowohl die Unternehmen als auch der Deutsche Gewerkschaftsbund hatten dagegen protestiert, weil die Regeln in Teilen deutschem Recht widersprächen. Die EU-Kommission sieht zumindest zum EU-Recht jedoch „keinen Widerspruch“.

Die neuen Börsenregeln sollen das Vertrauen der Anleger nach den jüngsten Finanzskandalen wiederherstellen. Sie orientieren sich an dem kürzlich verabschiedeten Sarbanes-Oxley-Gesetz und gelten ab heute für alle an den US-Börsen notierten Unternehmen, bei denen der Wert öffentlich handelbarer Aktien mindestens 75 Millionen US-Dollar beträgt. Nach dem Gesetz müssen Vorstandschefs und Finanzvorstände die Richtigkeit ihrer Bilanzen per Unterschrift beglaubigen. Bilanzbetrügern drohen bis zu 20 Jahre Haft und hohe Geldstrafen. Zusätzlich hat die SEC beschlossen, dass die Unternehmen ihre Jahresergebnisse spätestens 60 Tage nach Ablauf des Geschäftsjahres veröffentlichen müssen, 30 Tage früher als bisher. Quartalsberichte haben 35 statt 45 Tage Zeit. Auch die Meldefrist für Insidergeschäfte hat sich verkürzt – von 40 auf nur noch 2 Tage.

„Wir sind entschlossen, dem Gesetz Durchschlagskraft zu geben“, sagte SEC-Chef Harvey Pitt. Die Regelungen seien „ausreichend weit gefasst“, dass auch ausländische Konzerne „damit leben können“. Die deutschen Konzerne und Gewerkschaften hatten argumentiert, dass die verschärften Aufsichts- und Rechnungslegungspflichten nicht mit dem deutschen Recht vereinbar seien. So kollidiere die Forderung, den Aufsichtsrat mit von der Firma unabhängigen Mitgliedern zu besetzen, mit dem deutschen Mitbestimmungsgesetz (taz vom 17. 8.).

„Das ist keine Werbemaßnahme für den US-Kapitalmarkt“, sagte Peter Wiesner, Bilanzexperte beim Bundesverband der Deutschen Industrie. Er sehe aber nicht, dass die SEC umzustimmen wäre. Seiner Einschätzung nach werden sich die bereits an den US-Börsen vertretenen Firmen mit den Regeln abfinden, anders sei das aber etwa bei Porsche, das erst über einen Börsengang nachdenke.

Bei der EU-Kommission hieß es, man überlege, wie man auf den Vorstoß der SEC reagiere. „Wir wollen verhindern, dass EU- und US-Recht unvereinbar werden“, sagte ein Sprecher. Voraussichtlich im September wollen sich EU-Experten, die an einem eigenen Regelwerk für Corporate Governance arbeiten, mit der SEC zusammensetzen. Schließlich, so der Sprecher, gehe es um ein gemeinsames Ziel: „das Vertrauen in Bilanzen wiederherzustellen“. BEATE WILLMS

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