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Schill tillt aus

Eklat im Bundestag: Innensenator weigert sich trotz Überziehung der Redezeit, seinen Platz am Mikrofon zu räumen und beschimpft das Präsidium. Von Beust distanziert sich umgehend

von HEIKE DIERBACH

Innensenator Ronald Schill hat gestern bei seiner ersten Rede vor dem Bundestag für einen Eklat gesorgt. Weil er die Debatte über die Flutschädenfinanzierung vor allem zu Angriffen gegen die anderen Parteien und die Bundesregierung nutzte und außerdem seine Redezeit überzog, entzog ihm Bundestagsvizepräsidentin Anke Fuchs (SPD) das Wort und drehte schließlich das Mikrofon ab. Bürgermeister Ole von Beust (CDU) distanzierte sich umgehend von der Rede seines Stellvertreters.

Schill war als Vertreter der Hansestadt nach Berlin gefahren, „weil Katastrophenschutz Sache der Innenbehörde ist“, erklärte Senatspressesprecher Christian Schnee. In seiner Rede griff der Innensenator dann hauptsächlich die Bundesregierung für ihre Asyl- und Entwicklungspolitik an. Dabei wiederholte er unter anderem seine Behauptung, für Ausländer werde der deutsche Wohlstand „verfrühstückt“. Die Bundesregierung verteile „mit der Gießkanne“ in der ganzen Welt Geld, so dass nun für die Flutopfer nichts mehr da sei.

Fuchs ließ ihn gewähren. Erst, als Schill länger als die angemeldeten 15 Minuten redete und auch auf Hinweise nicht reagierte, entzog ihm die Vizepräsidentin das Wort – ein sehr seltener Vorgang im Bundestag. Schill weigerte sich aber, das Rednerpult zu verlassen und zitierte Artikel aus dem Grundgesetz: „Ich habe jederzeitiges Rederecht“. Als Fuchs ihm schließlich ein Schlusswort gewährte, sagte Schill: „Ich bin mit großem Vertrauen hier in den Bundestag gekommen und musste feststellen, dass hier die Verfassung mit Füßen getreten wird.“ Daraufhin schaltete Fuchs das Mikrofon ab.

Von Beust reagierte umgehend – bezog sich dabei aber nur auf Schills Rede: „Für eine Rede dieses Inhalts hatte Schill nicht das Mandat des Senats.“ Er bedauere den Vorfall außerordentlich. Schill scheine nicht klar zu sein, dass er im Bundestag für das Land zu sprechen habe und „nicht als Parteivorsitzender“. Die Rede habe der „guten Arbeit unserer Regierung“ nicht genützt: „Darauf werde ich Herrn Schill nachdrücklich hinweisen.“

Entsetzt reagierte auch die Hamburger Opposition. SPD-Fraktionschef Uwe Grund sagte, es zeige sich einmal mehr, „dass Schill keine Achtung vor demokratischen Institutionen hat“. Von Beust müsse sich beim Bundestagspräsidium für Schill entschuldigen. Die GAL-Fraktionsvorsitzende Krista Sager und die Landesvorsitzende Anja Hajduk erklärten, Schill habe sich als Vertreter Hamburgs „endgültig disqualifziert“.

Schill selbst kündigte gegenüber der Welt an, den Bundestag zu verklagen.

Siehe auch Seite 3

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