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Watergate in der Kanzler-Arche

Wie die SPD mit Hilfe von Pur, Bap und Scorpions das Wahlkampfruder noch einmal herumzureißen versuchte

Pur-Sänger Hartmut Engler wollte, dass eine Ost-Band „mit ins Boot geholt“ wird

Bekanntlich wurde bei dem Einbruch in die SPD-Wahlkampfzentrale vergangene Woche unter anderem ein Laptop gestohlen. Wie brisant die Dateien darauf wirklich sind, ist der Öffentlichkeit bisher nur angedeutet worden. Die ganze Sache habe „nach polizeilichen Ermittlungen keinen politischen Hintergrund.“ Es sehe so aus, hieß es in den Agenturmeldungen, als sei es den Tätern um Sachwerte gegangen. Spiegel Online dagegen raunte in der Unterzeile seines Berichts: „Offenbar haben sie gezielt sensible Unterlagen und Daten entwendet.“ Was im Artikel so belegt wurde: „Ein beunruhigter Spitzen-Genosse argwöhnte: ‚Da ist gezielt gesucht worden.‘“

Und gefunden worden: Denn durch einen Informanten liegt die Antwort jetzt der Wahrheit in einer schreibgeschützen Datei (Passwort „Das-Arche-Noah-Prinzip“) vor. Daraus geht hervor: Unter fachlicher Beratung von Jörg Kachelmann und in enger Zusammenarbeit mit den Grünen suchte die SPD-Führung an geeigneten Orten drei Dutzend Gebirgsgletscher aus und bereitete im Schutze des sommerlichen Dauerregens deren Sprengung vor. Nun wird klar, warum Schröder bei jener Kundgebung im hochwassergeschützten Hannover das Codewort vom „deutschen Weg“ verkündete. Es war nichts anderes als das Startsignal für die Aktion „Der deutsche Wasserweg“.

Der Rest ist weitgehend bekannt. Deutschland und die Deutschen strömten hydrogen zusammen, synchron mit den Pegelständen stiegen die Umfragewerte für die bedrängte Regierungskoalition.

Aber – und hier wird die Angelegenheit furchtbar und menschenverachtend – die SPD-Kampagne beinhaltete einen weiteren Baustein: den Song zur Flut. Auf Bitten Schröders hatten sich die Scorpions, Pur und BAP darauf verständigt, gemeinsam ein Lied einzuspielen, dessen Verkaufserlöse den Flutopfern zugute kommen soll. Ein Detail am Rande: Pur-Sänger Hartmut Engler bestand darauf, dass eine Ost-Band „mit ins Boot geholt“ werde: „Warum nicht die Puhdys? Die schwimmen immer oben“, schrieb er im Lauf einer E-Mail-Konferenz an seine Mitstreiter und fand allseits positive Resonanz.

Wie der Song heißen soll, war lange umstritten. Zur Debatte stand anfangs ein hölzern-holpriges „Wir bauen eine deutsche Arche“, das dann vorsichtshalber ins Rudimentärenglische übersetzt wurde: „Let’s Build Bridges“. Campino, der Wind von der Sache bekommen und die Toten Hosen ins Spiel gebracht hatte, dachte an die vielen tausend Bundeswehrsoldaten und plädierte für die Leadzeile „Ich will kein Wasser, ich will ein Fass Bier!“ Schließlich einigte man sich auf den Titel „With the Water Came the Innere Vereinigung“, ungeachtet der Vorschläge des Ökumenischen Rates in Deutschland, der „By the Rivers of Babylon“ (Boney M.) und „Jesus Walking On the Water“ (Violent Femmes) empfahl.

Doch kaum hatte die Flut ihren Scheitelpunkt erreicht, erfuhren Engler und die SPD-Kampa von einem ungeheuerlichen Konkurrenzprojekt: Ohne Absprache mit der Wahlkampfleitung wollen nun Peter Maffay, Udo Lindenberg und andere eine Benefizsingle mit dem Titel „Lieber Gott“ einspielen. „Lieber Gott“, stöhnten die SPD-Wahlkämpfer auf und ließen ihren eigenen Flutsong sowie alle kompromittierenden Daten im Berliner Watergate-Skandal stehlen. Zwei Flutsongs sind mindestens drei zu viel. DIETRICH ZUR NEDDEN

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