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Verfassungsschutz hört mit

Antiterrorgesetze hebeln in Dänemark journalistischen Quellenschutz aus. Öffentlichkeit von Prozess ausgeschlossen

KOPENHAGEN taz ■ Zum ersten Mal seit Verschärfung der Antiterrorgesetze nutzt Dänemarks Polizei die darin vorgesehenen Überwachungsmechanismen gegen die Presse: Anfang dieser Woche sickerte durch, dass mit Segen der Staatsanwaltschaft ein Journalist der Tageszeitung Jyllands Posten abgehört wurde, um seinen Quellen auf die Spur zu kommen.

Wie die meisten EU-Mitgliedsländer hat Dänemark mittlerweile die von der EU im Dezember 2001 beschlossene Rahmengesetzgebung zur Bekämpfung des Terrors („Antiterrorpaket“) in die nationale Gesetzgebung übernommen. Die damit eingeräumten erweiterten Befugnisse der Strafverfolgungsbehörden waren von Anfang an vor allem wegen der unklaren Definition des Begriffs „Terrorismus“ und mangelnder Rechtssicherheit kritisiert worden. Befürchtungen, die sich laut Oluf Jörgensen von der dänischen Journalistenhochschule jetzt bestätigen. Der Medienjurist spricht von „Einbruch in die Pressefreiheit“ und „Machtmissbrauch“ der Polizei.

Stig Matthiesen, Journalist bei Jyllands Posten, hatte vor zwei Wochen einen Artikel über eine angebliche Todesliste, die in islamischen Kreisen zirkuliert, veröffentlicht. Und bekam prompt Besuch von der Polizei und dem dänischen Verfassungsschutz PET. Wie aufmerksam der PET seine Kontakte in islamischen Gruppen beobachtete, wird daran ersichtlich, dass man bereits während der Recherchen an ihn herantrat und um Informationen zu seinen Kontaktpersonen bat. Matthiesen weigerte sich: „Es ist meine Pflicht, meine Quellen zu schützen. Die sind nämlich in akuter Gefahr, wenn ich ihre Identität preisgebe.“ Außerdem sehe er nicht ein, die Arbeit des Verfassungsschutzes zu machen: Die Tatsache, dass er offenbar mehr Informationen sammeln konnte als die vom Staat hierzu beauftragten Organe, zeige allenfalls deren Unwillen oder Inkompetenz, so Matthiesen. „Käme ich an konkrete Informationen zur Vorbereitung eines Verbrechens, würde ich das natürlich mitteilen.“

Nach seiner Verweigerung wurde Matthiesen zunächst fünf Stunden verhört und – wie er erst später erfuhr – seit dem 11. August telefonüberwacht. Ein Gericht in Kopenhagen segnete die Vorgehensweise der Polizei in dieser Woche ab. Der Prozess fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, Matthiesen drohen nun Geldstrafe oder sechsmonatige Haft. Der Journalist ging wie auch Jyllands Posten in Berufung: „Es ist mit einem demokratischen Rechtsstaat völlig unvereinbar, dass die Polizei die freie Presse abhört“, schrieb Jyllands-Posten-Chefredakteur Jörgen Ejböl in einem gestern gedruckten Kommentar. Im konkreten Fall habe die Polizei alle notwendigen Informationen mit Ausnahme der Quellen von der Zeitung erhalten. „Die Polizei will offenbar Zeugen fischen, die sie selbst nicht angeln kann.“ REINHARD WOLFF

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