: Berechtigte Angst
Gemäß Hitlers Maxime, „Der Soldat kann sterben, der Deserteur muss sterben“, hat die NS-Justiz an Deserteuren „die blutigste juristische Verfolgung der deutschen Geschichte verbrochen“, so die Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz. Von den 48.000 Todesurteilen in der NS-Zeit galten allein dreißigtausend der Fahnenflucht, die als ein schlimmeres Verbrechen als Mord eingestuft wurde. Zum Vergleich: Die USA haben im Zweiten Weltkrieg 763 Todesurteile gefällt und 146 vollstreckt, davon ein einziges wegen Desertion. Großbritannien hat vierzig Todesurteile vollstreckt, 36 wegen Mordes – kein einziges wegen Desertion.
Am 17. Mai 2002, einen Tag nach dem Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerer, hat der Bundestag mit den Stimmen von SPD, Grünen und PDS die Aufhebung aller Urteile gegen Deserteure aus der NS-Zeit beschlossen. Annulliert wurden auch Verurteilungen Homosexueller. Bis dahin hatten Betroffene oder deren Angehörige eine Einzelfallprüfung bei der Staatsanwaltschaft zu beantragen, die von vielen als unzumutbar empfunden wurde.
Aus „Gewissensgründen oder berechtigter Angst um ihr Leben“ hätten die Soldaten die Fahnenflucht gewagt, hieß es in der Begründung des rot-grünen Gesetzentwurfs. FDP und CDU/CSU stimmten gegen die Vorlage. „Wer desertiert ist, der hat auch nach heutigen Maßstäben ein schweres Unrecht begangen“, so der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Norbert Geis. Der PDS ging das Papier nicht weit genug – sie bemängelte, dass nicht auch Verurteilungen wegen „Flucht im Felde“ aufgehoben wurden.
Der morgige 1. September, Jahrestag des Angriffs auf Polen und somit des Beginns des Zweiten Weltkriegs, ist in der BRD seit 1957 (auf Initiative des Deutschen Gewerkschaftsbundes) Antikriegstag; die DDR beging stattdessen den Weltfriedenstag. Der Antikriegstag 2002 steht laut Netzwerk Friedenskooperative im Zeichen des Protestes gegen den drohenden Irak-Krieg. MARTIN MAIER
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