: „Überhastet durchgezogen“
Die CDU befürchtet bei der Fusion von SFB und ORB die Provinzialisierung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Die Senderehe sei überhastet und nur um politischer Erfolge willen geschlossen worden
von STEFAN ALBERTI
Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in der Region droht durch die Fusion von SFB und ORB die Provinzialisierung – meint die CDU-Medienexpertin Monika Grütters. Sie widerspricht damit der SPD, die von einer Stärkung ausgeht. Grütters meint, für den fusionierten Sender hätte sich mehr Geld herausschlagen lassen – „wenn man sich mehr Zeit gelassen und sich erst mal über Programminhalte unterhalten hätte“. Verantwortlich macht sie dafür den Regierenden Bürgermeister. „Klaus Wowereit hat die Fusion wegen des kurzfristigen politischen Erfolges überhastet durchgezogen“, sagte Grütters gestern der taz.
Klaus Wowereit und der damalige brandenburgische Ministerpräsident Manfred Stolpe (beide SPD) hatten den Staatsvertrag über die Fusion zum Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) Ende Juni unterzeichnet. Der neue Sender soll seinen Sitz sowohl in Berlin wie auch in Potsdam haben und im Juni 2003 starten. SFB-Intendant Horst Schättle sah mit der Unterzeichnung des Staatsvertrags „die überfällige Neuordnung des Rundfunks in Berlin und Brandenburg in greifbare Nähe gerückt“. Innerhalb der ARD soll der neue Sender etwa das Gewicht des Hessischen Rundfunks haben. Zustimmen müssen jetzt noch die Landesparlamente.
Sie sei alles andere als eine Gegnerin der Fusion, sagte Rundfunkratsmitglied Grütters, aber der neue Sender habe einen Geburtsfehler. „Vom jetzigen Gebührenaufkommen her lässt sich kein Programm betreiben, das den öffentlichen Rundfunk stärkt. Wir werden ja sehen, wie oft es den „Tatort“ zukünftig noch aus der Region gibt.“ Für sie ist die Rechnung einfach: „Man kann aus zwei armen Sendern keinen reichen machen.“ Nach ihren Vorstellungen hätten sich Programmprofis aus SFB und ORB zusammensetzen, Inhalte festlegen und dann die nötige Finanzierung bei der Gebührenkommssion KEF beantragen sollen. „Ich bin sicher, dass man das Geld hätte lockermachen können.“
Vielleicht ein Jahr hätte sich die Fusion dadurch nach Schätzung von Grütters verzögert. Das aber wäre aus ihrer Sicht kein Problem gewesen: „Es gibt doch einen allgemeinen Konsens über die Fusion.“ Stattdessen hätten Strukturen im Vordergrund gestanden. Nun mache man sich diese Gedanken zu spät, „und dann wird man feststellen, dass das Geld nicht ausreicht“.
Am Donnerstagabend hatte sich das Abgeordnetenhaus in erster Lesung mit dem Rundfunkstaatsvertrag beschäftigt. Der medienpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Frank Zimmermann, betrachtete die Lage dabei deutlich anders als CDU-Politikerin Grütters: Die Fusion werde den Medienstandort Berlin-Brandenburg aufwerten und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Wettbewerb mit Privatsendern stärken.
Kritik an fehlender Programmkonzeption übte aber auch FDP-Fraktionschef Martin Lindner. Der sah den neuen Sender zwar als Identität stiftendes Pilotprojekt für die für 2009 angestrebte Länderfusion. Es fehle jedoch ein präziser Fahrplan. Lindner begrüßte hingegen den vereinbarten Modus der Personalvertretung. Der orientiert sich an einer Bundesregelung und nicht am Berliner Personalvertretungsrecht.
Die Personalräte von SFB und ORB hatten den Regierungschefs Wowereit und Stolpe bei der Vertragsunterzeichnung vorgeworfen, sie hätten mit ihrer Unterschrift „den Abbau von Arbeitnehmer- und Mitbestimmungsrechten im Rundfunk Berlin-Brandenburg besiegelt“.
Unterstützung erhielten die Mitarbeitervertreter durch die Grünen-Fraktion: Ihre Medienexpertin Alice Ströver sah durch diese vereinbarte Regelung zur Personalvertretung „zentrale Demokratiedefizite“ im Staatsvertrag.
Das Thema geht jetzt in den Ausschuss für Medienpolitik. Bei der CDU ist man sich sicher, dass das Parlament dem Vertrag im November zustimmen wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen