: Stille Wasser sind frisch
Was macht den Sommer cool? Teil 9 und Schluss: Wasser. Aber sicher nicht Sauerstoffwasser. Sonst könnte man den Durst auch mit Luftschlucken löschen, sagt Lebensmittelexperte Udo Pollmer
Interview THOMAS WINKLER
taz: Herr Pollmer, ist Wasser cool?
Udo Pollmer: Alles was gekühlt ist, ist cool. Wenn man es kocht und über Tee gießt, dann ist es natürlich eine heiße Sache.
Warum kühlt Wasser?
Es wirkt erfrischend, weil das gekühlte Wasser eine niedrigere Temperatur hat als die Luft. Deshalb mögen die Menschen, wenn es draußen heiß ist, kein lauwarmes Wasser.
Wasser bei Körpertemperatur wird also nicht als erfrischend empfunden?
Wohl kaum. Es hilft gegen den Durst, aber als Erfrischung taugt es weniger. Nehmen Sie lieber gekühlte Getränke, ein Apfelschorle oder ein Bier.
Was ist denn cooler: Mit oder ohne Kohlensäure?
Die Kohlensäure prickelt auf der Zunge und im Mund. Viele Menschen suchen diesen Reiz, auch wenn er manchmal beinahe schmerzt. Vielleicht auch deshalb, weil die Kohlensäure ins Blut gelangt und den Kreislauf leicht anregt. Interessant ist allerdings der Begriff Durstlöscher: Die meisten Fruchtsaftgetränke und Limonaden haben gerade die gegenteilige Wirkung. Nach dem Trinken dieser Flüssigkeiten kommt es zu einer vermehrten Speichelproduktion. Und wenn einem das Wasser im Mund zusammenläuft, hat man logischerweise Appetit auf mehr. Dieser Effekt ist beim normalem Wasser nicht vorhanden.
Wasser mit Kohlensäure löscht also den Durst genauso effektiv wie stilles Wasser?
Gewisse Überlegungen sind doch eher Beschäftigung für die Ernährungsszene und am besten in Frauenzeitschriften aufgehoben. Normalerweise fordert der Körper über den Appetit das ein, was für ihn das Beste wäre.
Der aktuellste Trend ist Sauerstoffwasser.
Das ist eine absolut geniale Idee. Als Marketinggag voll cool. Das wendet sich an einen Personenkreis, dessen Grundschulbildung nicht ausreicht, um zu wissen, dass der Sauerstoff über die Lungen und nicht über den Magen aufgenommen wird. Wer aber meint, er müsse über seinen Magen Sauerstoff einatmen, weil das vitalisiert, der kann es ja mal mit Luftschlucken probieren.
Man muss also eher rülpsen.
Für hartgesottene Gesundheitsfreaks sind blähungserzeugende Produkte wie Körner und Rohkostplatten ja beinahe identitätsstiftend. Unter dem Deckmäntelchen der Gesundheitspflege im Verdauungstrakt Gase zu erzeugen, scheint ein neuer Volkssport geworden zu sein. Ein guter Teil der Ernährungsaufklärung wendet sich an Menschen, die zu viel Zeit haben, an narzistischen Anwandlungen leiden und Masochismus für eine interessante Lebensform halten.
Dann lassen Sie uns weiter aufklären: Mineral- oder Leitungswasser?
Das hängt von der Leitungswasserqualität ab. Mineralwasser sollte aus einem unterirdischen, vor menschlichen Einflüssen geschützten Reservoir stammen. Allerdings kann man das Leitungswasser, sollte es dieser Anforderung nicht genügen, auch aufbereiten. Vor allem in Regionen mit kalkhaltigem Wasser hat das Leitungswasser eine gute Qualität, weil aus verkalkten Rohren kein Material aus den Leitungen ins Wasser diffundieren kann. Früher hat man ja aus den unmöglichsten Materialien wie Asbest Rohre hergestellt. Aber wenn da mal eine schöne Kalkschicht drauf ist, hätte ich persönlich keine sonderlichen Bedenken.
Schmecken Mineralwässer wirklich unterschiedlich?
Geringfügig, das hängt von der Zusammensetzung der Mineralien ab. Man merkt schon einen Unterschied, wenn da beispielsweise mehr Magnesiumsulfat drin ist.
Wie schmeckt Magnesiumsulfat?
Es hat eine bittere Note, aber im Wasser darf es natürlich nicht auffällig durchschmecken, sonst würde das ja niemand trinken.
Kann denn die Flutkatastrophe nicht nur die Böden schädigen, sondern auch die Mineralwasserqualität?
Nein, weil das Mineralwasser im Gegensatz zum Leitungswasser aus unterirdisch geschützten Vorkommen stammt. Ob der Landwirt Pestizide spritzt oder die Elbe ihren Siff auf den Feldern verteilt, das darf diese Reservoire nicht beeinträchtigen. Allerdings sollte man daran denken, dass in so einem unterirdischen Reservoir auch nicht immer nur die reine Gesundheit steckt. Denn es gibt in unserer Erdkruste viele interessante Ablagerungen, die bergmännisch abgebaut werden. Darunter befinden sich auch Erze, die allerlei giftige Elemente beinhalten, denken Sie nur an den Uranabbau. Wenn das Wasser durch diese Schichten strömt, dann haben Sie natürlich all die unappetitlichen Mineralien oder radioaktiven Elemente dabei. Deshalb ist beileibe nicht jedes Vorkommen auch zum Konsum geeignet.
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