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Tschüss sagen in Hamburg

Bundeskanzler Gerhard Schröder steppt mit Heidi Kabel zu symbolischem Liedgut – 6000 Menschen auf dem Platz der Republik in Altona hatten ihren Spaß

Heidi Kabel ist eine treue SPD-Seele. Als der Bundeskanzler zum Mittagessen beim Italiener an der Max-Brauer-Allee Hamburger KünstlerInnen um sich schart, sitzt sie direkt neben Gerhard Schröder. Und später vor 6000 HamburgerInnen auf dem Platz der Republik schunkelt die 88-Jährige mit dem Kanzler zu „In Hamburg sagt man Tschüß“. Ein Liedertitel mit Symbolik, auch wenn die Siegesgewissheit unter den SozialdemokratInnen umgeht. Die Umfrageergebnisse sind gut, die „Dranbleiben, Gerd“-Schilder gleichmäßig in der Menge verteilt, und der Kanzler selbst ist kämpferisch.

Die „Manager stecken sich die Taschen voll, und die kleinen Leute stehen auf der Straße“, das ist Rhetorik, die im Wahlkampf vor der SPD-Basis bestens reüssiert. Und wenn er den Springer-Verlag direkt attackiert, dann ist der Beifall groß: „Verantwortung für Wahrhaftigkeit müsste auch in großen Verlagshäusern herrschen“, gibt Schröder Richtung Bild-Zeitung weiter, und: „Wer in Deutschland regiert, das entscheiden nicht Chefredakteure großer Zeitungen, sondern immer noch das Volk.“

Die Wahlkampfstrategen haben Schröder ein paar bissige Gags ins Drehbuch geschrieben, und der Bundeskanzler ist gut in Form: Mit Blick auf das Stoibersche Kompetenzteam kommentiert er: „Fehlt nur noch, dass Helmut Kohl als Jugendminister nominiert worden wäre.“ Die dort aufgestellt worden seien, hätten „alle schon bewiesen, dass sie es nicht können“. Stoiber wird namentlich totgeschwiegen, Schröder spricht lediglich von denen, „die zurzeit so viel Kreide fressen, dass man sich schon Sorgen um die Rügener Kalkfelsen machen muss“.

Vorher hatte schon Landeschef Olaf Scholz für Stimmung gesorgt, als er die „hetzerische Rede“ Schills im Bundestag gebrandmarkt und dazu angemerkt hatte: „Unerhört, wie zögerlich und feige der Bürgermeister mit diesem Senator umgeht.“ Dann schob er noch ein „In zwei Monaten ist diese Sache ohnehin vorbei“ nach, und schon klopft sich alles auf die Schultern, überzeugt von dem, was Scholz zur Eröffnung des Nachmittags gesagt hatte: „Hamburg ist eine sozialdemokratische Stadt.“

Prompt taucht auch Hamburgs Ex-Bürgermeister Ortwin Runde mit einem Blumenstrauß für Heidi Kabel auf, im Publikum klatschen Kabarettist Hans Scheibner und Filmregisseur Hark Bohm Beifall.

Die Schauspieler Volker Lechtenbrink und Christian Quadflieg, Thalia-Intendant Ulrich Khuon, Schriftsteller Peter Rühmkorf und Schmidts-Chef Corny Littmann, an sich eher Sympathisant der GAL, saßen ebenfalls mit beim Italiener. Eine SPD-Künstlerinitiative, wie es sie im Vorjahr im Bürgerschaftswahlkampf gegeben hatte, soll es aber diesmal nicht geben, hieß es. PETER AHRENS

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