: Unrasiert mit Sommersprossen
Dem Steinbeißer auf der Spur: Edda Bodes von Fisch-Bodes in der Bischofsnadel klärt auf: Im Blockland gibt es keine Delikatessen. Was es mit dem letzte Woche ruchbar gewordenen „Blockland-Steinbeißer“ auf sich hat, erfahren wir dennoch im Detail – aus dem Buch vom Vater der Fischhändlerin
Fischfreunde allerorten sind verwirrt. Der Steinbeißer lebt mitten unter uns. Im Blockland, in FFH-Gebieten, so die Meldung letzte Woche. Also einfach loslatschen und aus‘m Wasser holen anstatt beim Fischhändler viel Geld für das edle Tier zu bezahlen? Wir fragten die Frau, die es wissen muss: Edda Bodes, Chefin des legendären Fischladens in der Bischofsnadel.
taz: Frau Bodes, der Steinbeißer lebt im Blockland!
Edda Bodes: Das kann ich mir gar nicht vorstellen.
Ist aber so.
Der Steinbeißer ist ein Seefisch!
Nee, der Steinbeißer ist ein Fisch, der im Blockland lebt. Man nennt ihn auch Schmerle.
Moment. Ich hol mal grade mein schlaues Buch. Mundartlich heißen Fische ja oft ganz anders. Der Steinbeißer wurde früher übrigens mal Austernfisch genannt.
Wie jetzt? Die Schmerle? Austern?
So, da hab ich das Buch. Schmerlen, Seite 147. „Ausschließlich kleine, meist rundlich langgestreckte, mitunter wurmartige Fische, um deren Maul sechs bis acht bis zwölf Barteln stehen. Ein Merkmal, das sonst nur noch bei den Welsen zu finden ist. Einige Arten ähneln auch den Welsen sehr stark, doch fehlt all diesen Formen der typische Hartstrahl in den Flossen der Welse. Die Schmerlen besitzen weiche Flossenstrahlen, sind meist nur wenige in einer Flosse, während die Welse sehr viele haben...“
Aha.
„...Bei Schmerlengattungen zeigen unterhalb und vor dem Auge ein oft mehrspitziger Dorn, der sich aufrichten lässt und durch ein besonderes Sperrgelenk feststellen lässt. Möglicherweise handelt es sich dabei um eine Verteidigungswaffe.“
Das ist also ein anderer Fischals der , den es im Laden gibt?
Total, ja.
Schmerlen verkaufen Sie auch gar nicht?
Nee. Aber da steht noch viel mehr. Moment...
Was ist denn das für ein Buch, aus dem Sie da zitieren?
Das gibt es nicht mehr im Handel. Das hat mein Vater mal zum 60. Geburtstag geschenkt bekommen und wir profitieren da immer noch von.
Wie schön.
Hier steht überhaupt nichts von Speisefischen.
Und auch nicht davon, dass die Schmerle Steinbeißer heißen könnte?
Moment. Jetzt kommen wir der Sache näher. Da ist jetzt einer, der Steinbeißer heißt. „Hat unsere Schmerle für den deutschen Namen der ganzen Familie gesorgt, so rührt der lateinische Name vom wissenschaftlichen Namen unseres einheimischen Steinbeißers her, der cobitus tenia heißt. Wie die Schmerle hat auch der Steinbeißer je nach Gegend und Dialekt weitere volkstümliche Bezeichnungen, die alle aufzuführen hier unmöglich sind. Kennzeichnend für Steinbeißer sind seine sechs kurzen Barthaare, die dem Kopf ein unrasiertes Aussehen verleihen. Noch leichter, fast auf den ersten Blick, kann man aber den Steinbeißer von seinen beiden bei uns lebenden Vettern an seiner Färbung unterscheiden. Die Zeichnung variiert zwar je nach Fundort sehr stark, oft so, dass man nicht glauben möchte, Tiere ein und derselben Art vor sich zu haben...“
Super. Frau Bodes –
„...Die Zeichnungsunterschiede haben denn auch dazu geführt, dass man den Steinbeißer in mehrere Unterarten aufteilt, von denen aber einige noch recht kritisch zu betrachten sind...“
Äh, Frau Bodes –
„...Wenig auffallend ist die Grundfärbung: hellgrau bis hellbraungrau. Sie verstärkt sich zum Rücken hin hell nach dem Bauch hin auf einem fast schneeigen Weiß. Ganz charakteristisch ist die Fleckenzeichnung, die schwarz bis glänzend blauschwarz ist und mitunter auch violette oder sogar leicht rötliche Töne zeigt...“
Frau Bodes –
„...Diese Fleckenzeichnung ist in Reihen angeordnet. Die unterste Reihe ist die größte. Aus Einzelflecken zusammen zieht sich vom Ende der Kiemendeckel bis zum Beginn der Schwanzflosse.“ Ach, du Schande!
Ich bin beeindruckt.
Ja, ne? „Auf dem Kopf befinden sich kleine wie Sommersprossen anmutende Flecke, die vom Auge zum Maul und vom Auge zum Nacken zu einer schwärzlichen Binde zusammenfließen.“
Wie schön. Das heißt aber, das Tier ist nicht identisch mit dem Fisch, den es bei Ihnen gibt.
Genau. Dies hier ist ein Süßwasserfisch.
Wie mögen Sie denn Ihren Steinbeißer am liebsten?
Als Filet gebraten.
Und haben Sie jetzt was gelernt, Frau Bodes?
Man lernt immer was dazu. Man kann weiß werden wie `ne Kuh, sag ich immer. Da stehen aber noch tausend Sachen mehr hier. Soll ich....
Danke, wir sind bestens bedient.
Schade. Wenn Sie noch mehr wissen wollen, melden Sie sich.
Fragen: Susanne Gieffers
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