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Vampirpflanze im Westen

Horrormusical zwischen weißem Rößl und zornigen Hausfrauen: Das Waldau Theater inszeniert den „kleinen Horrorladen“

Seit Wochen schwebt ein Mythos über der Stadt. Im Druckwerk der „Waldau Theater Komödie Bremen“ kündigt sich „Der kleine Horrorladen“ bereits vor der Premiere herausragend selber an: „Es gehört zum Besten, was es derzeit in dieser Art gibt.“ Glaubt man den vielversprechenden Ankündigungen, so bilden sich im Bremer Westen künftig Trauben von Kids an den Theaterkassen – trashig, abgefahren und skurril.

Letztendlich aber werden detailverliebte Märklin-Fans mit endlos langer Leitung befriedigt. Die Bühne steht proppevoll mit Mushnicks Blumenladen. Und auch ein schäbiges Gässchen findet noch Platz: Mülltonnen, eine altersschwache Straßenlaterne und eine wackelige Treppe ins Nirwana. Alles ist liebevoll gesprenkelt in annähernd naturgetreuer Modellbauspritzoptik. Schließlich befinden wir uns im Dreck der New Yorker East Side, mitten in der Armut des Wilden Ostens. Hier wird Seymour vom Tellerwäscher, nein, vom Blumenburschen zum Superstar.

Für die junge Zielgruppe hier noch einmal die Geschichte: Seymour erfindet eine wundersame Pflanze, kommentiert durch ein Trio glitzernder und darstellungsfreudiger Straßensängerinnen. Das exotische Antlitz des zarten Pflänzchens verspricht Ruhm, Reichtum, Anerkennung und Liebe, doch ihr Pakt ist grausam. Sie will kein Wasser, sondern Blut. Ausgewachsen verschlingt die sprechende Horrorbotanik alles, was zwei Beine hat, und damit sind am Ende alle Träume hin: Das Häuschen im Grünen, Erfolg und die ewige Liebe.

Lasershow und Lichtdesign sind in diesem Musical nicht zu erwarten. Das macht die Inszenierung zunächst sympathisch. Es spräche auch nichts gegen Boulevard, wäre es wenigstens komisch. Regisseur Andreas Lachnit umzingelt jede Pointe so lange, bis sie letztlich selber aufgibt. Fünfmal hat man bereits verstanden, dass Zahnarzt Scrivello ein blutrünstiger Sadist ist, da setzt er noch einmal den rostigen Bohrer an. Und überhaupt, was macht dieser Transvestit auf der Bühne? Ein Relikt aus der abgespielten „Rocky Horror Picture Show“?

Darsteller und Musiker können eigentlich kaum etwas dafür, dass man sich den kleinen Horrorladen lieber in der Videothek leihen sollte. Die Band rockt zwar nicht spektakulär, aber wenigstens handgemacht. Blumenbursche Seymour (Christoph Banken) trifft nicht immer den richtigen Ton, Jutta Habicht aber spielt und singt das blonde Liebchen Audrey so bezaubernd, dass Tränen kaum zu unterdrücken sind.

Übrigens: Das Stück kommt frisch vom Stadttheater Minden, die bisher mit Musicals wie „Im weißen Rößl“, „Die 3 von der Tankstelle“ und „Zornige Hausfrauen“ ihr Publikum begeisterten. Ob „Der kleine Horrorladen“ wirklich das trashige Bremen-vier-Publikum vom Hocker haut, bleibt abzuwarten.

Jens Schellhass

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