: „Jeder bekommt die Chance“
Heinrich Alt, Vorstandsmitglied der Bundesanstalt für Arbeit, über die neuen Personal-Service-Agenturen: Jeder soll zeitarbeiten können – aber zurückweisen darf die Agentur ihn auch. Und ohne Wirtschaftswachtum geht’s ohnehin nicht
Interview BARBARA DRIBBUSCH
taz: Bis Mitte nächsten Jahres sollen bei allen Arbeitsämtern Personal-Service-Agenturen, so genannte PSA, angesiedelt werden. Wie soll das gehen?
Heinrich Alt: Wir haben Vorerfahrungen. Viele Arbeitsämter haben jetzt schon Verträge mit gewinnorientierten Zeitarbeitsfirmen oder mit gemeinnütziger Arbeitnehmerüberlassung. Diese Verträge sehen etwa vor, dass die Zeitarbeitsfirmen einen mit der Zeit abnehmenden Lohnkostenzuschuss bekommen und einen Betreuungszuschuss, wenn sie schwer vermittelbare Erwerbslose beschäftigen.
Wenn es das schon gibt, wie sollen die neuen PSA dann aussehen ?
Unsere Vorstellung ist, dass die privaten Zeitarbeitsfirmen künftig eine eigene Abteilung haben, die sich PSA nennt. Das wäre nicht die klassische Zeitarbeit, sondern die arbeiten unter bestimmten Rahmenbedingungen, die noch festgelegt werden müssen.
Im Hartz-Konzept steht, die Arbeitslosen sollen im ersten halben Jahr in der PSA nur einen Lohn in Höhe des Arbeitslosengeldes bekommen.
Das wird der Gesetzgeber definieren. Ich fände es unter dem Gesichtspunkt des Anreizes allerdings nicht klug, den Arbeitslosen das erste halbe Jahr nur zu einem Entgelt in Höhe des Arbeitslosengeldes arbeiten zu lassen. Es müsste schon etwas mehr sein.
In den neuen Bundesländern spielt die Leiharbeit bisher kaum eine Rolle. Wie wollen Sie da private Zeitarbeitsfirmen finden, die bei sich eine PSA-Abteilung aufmachen ?
Wenn wir in bestimmten Regionen keine privaten Zeitarbeitsfirmen finden, dann wird die Bundesanstalt für Arbeit dort eigene PSA gründen.
Bleibt immer noch das Problem, dass die PSA-Beschäftigten ja von irgendwelchen Firmen entliehen werden müssten.
Da werden wir mit langsam abnehmenden Lohnkostenzuschüssen arbeiten müssen.
In den neuen Bundesländern gibt es ja schon viele Massnahmen wie Lohnkostenzuschüsse, ABM und sonstige Förderungen. Werden die PSA dann als zusätzliche Maßnahme eingeführt?
Die PSA werden nicht draufgepackt auf die anderen Förderinstrumente, sondern wir werden einen Teil des Geldes, das wir jetzt für Qualifizierung, ABM oder Strukturanpassungsmaßnahmen nützen, dann für die Zeitarbeit zur Verfügung stellen. Wenn wir mehr Zeitarbeit haben, werden wir vielleicht ABM zurückfahren können.
Wird denn jeder Arbeitslose, der das möchte, bis Mitte nächsten Jahres die Möglichkeit haben, zumindest in einer PSA anzufangen?
Ja, ich denke schon. Nicht in Form eines Rechtsanspruchs, aber in Form eines guten Angebots, das wir machen werden.
Das heißt, die PSA muss dann jeden Arbeitslosen nehmen?
Nein, es wird ein Rückweisungsrecht der PSA geben. Es muss für die PSA auch die Möglichkeit geben, zu sagen: Für den und den ist im Moment am Markt kein Bedarf.
Also hängt am Ende doch alles an der Privatwirtschaft, die die PSA-Leute ja entleihen soll. Woher soll man da den Optimismus nehmen, dass die PSA so viele Leute in Beschäftigung bringt, besonders im Osten?
Das wird sich nur unter zwei Voraussetzungen entwickeln: Einmal müssen die Rahmenbedingungen für Zeitarbeit verbessert werden, und zum Zweiten brauchen wir ein stärkeres Wirtschaftswachstum.
In Zeiten wie heute, wo die Beschäftigung eher ab- als zunimmt, werden wir mit diesem Instrument keine 500.000 Menschen bewegen, da bin ich realistisch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen