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Dampfwalze Luftfahrtindustrie

Werkspiste Finkenwerder möglicherweise heute im Senat. Drucksachenentwurf: Ohne Verlängerung Standort chancenlos. Abriss des Ness-Hauptdeichs erwogen. Enteignung von Sperrgrundstück geplant. Zulieferer erwarten Wachstumsschub

von GERNOT KNÖDLER

Ohne eine weitere Verlängerung der Airbus-Werkspiste in Finkenwerder würde Hamburg seine Chancen als Luftfahrtindustriestandort „nachhaltig gefährden“. Diese Einschätzung trifft die Wirtschaftsbehörde im Entwurf einer Senatsdrucksache, die in der heutigen Sitzung behandelt wird. In dem Papier, das vom Schutzbündnis für Hamburgs Elb-region veröffentlicht wurde, heißt es, man habe im Wettbewerb um den Riesen-Flieger A380 versprochen, dem Airbus-Werk Entwicklungsperspektiven zu verschaffen. Diese Zusage gelte es einzuhalten.

Während es immer klarer wird, dass die Stadt und die Firma bei der Werkserweiterung nach einer Salami-Taktik vorgehen, strich Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) gestern die Vorteile des Projekts heraus: Allein im vergangenen Jahr seien knapp 1500 Arbeitsplätze in der norddeutschen Luftfahrtindustrie geschaffen worden. Um von der Airbus-Erweiterung zu profitieren, will der Wirtschaftssenator vor allem kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) bei der Ansiedlung und in Hamburg helfen. „Wir wollen, dass Hamburg die wirtschaftsfreundlichste Stadt Deutschlands wird“, sagte der Senator.

Wie die taz hamburg am Wochenende berichtete, gibt es berechtigte Zweifel an der Behauptung von Airbus, auch ohne Pistenverlängerung werde in Hamburg am A380 gebaut. Der Drucksachen-Entwurf gibt diesen neue Nahrung. Dort heißt es, die Behörde gehe bei ihren Bewertungen von der „hohen stadt- und regionalwirtschaftlichen Bedeutung des Gesamtprojekts“ aus, die den bisherigen Entscheidungen des Senats zugrunde gelegen habe. Die Vorstellung, in Finkenwerder eine abgespeckte Version zu bauen, die eine weniger lange Piste braucht, erscheint vor diesem Hintergrund wenig plausibel. Überdies hatte bereits der rot-grüne Vorgängersenat im Wettbewerb um die Ansiedlung der Produktion des A380 versprochen, „alle Schritte zu unternehmen, damit zum Zeitpunkt der Vollproduktion ab 2006 eine Start- und Landebahn zur Verfügung steht, wie sie auch heute von Toulouse zur Verfügung gestellt werden kann“.

Weil die Piste nur nach Südwesten in den Rosengarten hinein verlängert werden kann, müssen die Eigentümer der entsprechenden Grundstücke einem Verkauf zustimmen. Sollten sie das nicht tun, was insbesondere bei einem Sperr-Grundstück zu erwarten ist, das Airbus-Gegner erworben haben, will die Stadt enteignen. Die Wirtschaftsbehörde soll deshalb Vorschläge „für die möglicherweise erforderlich werdende Schaffung der notwendigen Rechtsgrundlagen für die Ermöglichung von Enteignungen“ machen.

Weil eine zusätzlich verlängerte Piste den Neß-Hauptdeich durchstieße, soll dieser abgerissen oder verlegt werden. Das gilt auch für den parallel zur Piste verlaufenden Deichabschnitt, der in der Sicherheitszone der Piste liege und für den eine Ausnahmegenehmigung gilt. Ein Abriss wäre aus Sicht der Behörde unproblematisch, weil vor dem Airbus-Gelände im Mühlenberger Loch ein neuer Deich geschaffen wurde. Die Straße Neß-Hauptdeich soll östlich um das auf den Westerweiden liegende Airbus-Werksgelände herumgeführt werden – dicht an Finkenwerder und dem Naturschutzgebiet Westerweiden.

Der Aufwand soll nach dem Wunsch Uldalls dazu beitragen, Hamburgs Wirtschaft mit einem gesunden industriellen Standbein zu versehen. Schon heute arbeiteten 20.000 Menschen in Hamburg und Umgebung in der Luftfahrtindustrie: 8000 bei Airbus, 6000 bei Lufthansa Technik und 6000 bei KMU, Tendenz steigend, wie Uldall und Vertreter der KMU bei einer Pressekonferenz versicherten.

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