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Eskalation an der Streikfront

In Südkorea hat unter der Präsidentschaft Kim Dae-jungs die Repression der Gewerkschaften noch zugenommen

SEOUL taz ■ Seit über hundert Tagen streiken in Südkorea die Beschäftigten mehrerer Krankenhäuser. Sie fordern die Zahlung der gesetzlichen Mindestlöhne von umgerechnet 770 Euro, mehr soziale Absicherung und zwölf Prozent mehr Lohn für Festangestellte. Auf der südlichen Ferieninsel Cheju kam es schon zu ersten Auseinandersetzungen. Nachdem vor einer Woche die Geschäftsführung des größten Krankenhauses der Insel 108 der 115 gewerkschaftlich organisierten Streikenden feuerte und diese mit Besetzungen antworteten, beauftragte die Krankenhausleitung einen privaten Wachschutz, den Widerstand mit Gewalt zu brechen. Unter den Augen untätig zusehender Polizisten kam es zu schweren Auseinandersetzungen. 20 BesetzerInnen, überwiegend Frauen, wurden zum Teil erheblich verletzt.

Ähnliche Szenen könnten sich auch bald in der Hauptstadt Seoul abspielen. Nur dass die Regierung hier gleich die Antiaufruhreinheiten der Polizei einsetzen will, um die Arbeitskämpfe ein für alle Mal zu beenden. Weiterhin existiert der Plan 14, Streikführer zu verhaften und vor Gericht zu stellen.

Dabei führen gerade diese Praktiken immer wieder zu Demonstrationen. So kommt es fast wöchentlich zu Protesten, um die mindestens 50 noch inhaftierten Gewerkschafter frei zu bekommen. Wichtig ist den Protestierenden vor allem die Einbindung der Öffenlichkeit. Denn bisher hat sich nur eine verschwindende Minderheit mit dieser Problematik auseinander gesetzt. Meist leisten nur linke Studenten Unterstützung.

Die jetzige Protestwelle begann im Juni. Internationale Gewerkschaftsorganisationen wie die Internationale Metallarbeiterföderation riefen zu einem globalen Aktionstag zur Freilassung inhaftierter südkoreanischer Gewerkschafter auf. Die Regierung des Friedensnobelpreisträgers und Exbürgerrechtlers Kim Dae-jung hält den traurigen Rekord, innerhalb von viereinhalb Jahren 150 Gewerkschafter mehr eingesperrt zu haben als die Vorgängerregierung in ihrer gesamten fünfjährigen Amtszeit. Damals zählte das Land 632 inhaftierte AktivistInnen. Der Grund für Kims Politik dürfte in seiner engen Bindung an die Konzerne liegen. Sie lassen innerbetriebliche Konflikte immer wieder gern mittels staatlicher Repression lösen.

Die Drangsalierung der Gewerkschaften hat in Südkorea Tradition. Unter den verschiedenen Diktaturen konnte man ohne Übertreibung von Terror reden. Aber eben auch unter der demokratischeren Regierung müssen GewerkschafterInnen um ihre Freiheit fürchten. 220 büßten allein im vergangenen Jahr für ihr Engagement mit Freiheitsstrafen. Zum Beispiel Dan Byung-ho, Präsident der Konföderation der Gewerkschaften (KCTU): In diesem März verurteilte ihn ein Seouler Gericht nach Artikel 314 Strafgestzbuch, („Behinderung des Geschäfts“) zu zwei Jahren Haft. Die Anklage basierte allein darauf, dass er als Gewerkschaftsführer für die Erste-Mai-Demonstration 2001 und für einen Generalstreik im Sommer desselben Jahres verantwortlich gemacht wurde.

Selbiger Paragraf dient auch als Begründung, um Streiks blutig niederzuschlagen wie im Winter 1998, als Antiaufruhreinheiten den Ausstand der Daewoo-Arbeiter niederknüppelten. Damals wurde der Präsident der Metallarbeitergewerkschaft, Mun Sung-hyun, zu 18 Monaten Haft verurteilt. Seit Beginn dieses Jahres stehen mehrere GewerkschafterInnen auf der Fahndungsliste, die an den mehrwöchigen Streiks gegen die Privatisierung der Energieunternehmen beteiligt waren. Auch hier kam es immer wieder zu harten Polizeieinsätzen.

Die Regierung begründet die Härte gegenüber der KCTU mit deren Militanz. Dabei hätten diesen Vorwurf viele Gruppen von rechts bis links verdient. Wahrscheinlich geht es eher um die große Basisnähe der KCTU. Erst kürzlich mussten Gewerkschaftsführer abtreten, weil die Basis ihnen zu viel Kompromissbereitschaft vorgeworfen hatte.

Gegen die Repression der Gewerkschaften regt sich in der demokratischen Öffentlichkeit allmählich Widerstand. Menschenrechtsorganisationen appellierten an den Präsidenten, anlässlich des Nationalfeiertags am 15. August eine Amnestie zu erlassen. Zwar verhallten die Appelle ungehört, doch wächst die Zahl der Parlamentarier, die das Vorgehen gegen die Gewerkschaften ablehnen. CHRISTIAN KARL

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