: Sudans Friedensprozess platzt
Nach der Einnahme einer Garnisonsstadt durch die SPLA-Rebellen zieht sich Sudans Regierung aus Gesprächen zur Umsetzung eines US-vermittelten Friedensplans zurück
BERLIN taz ■ Im wieder aufflammenden Bürgerkrieg im Sudan hat die Regierung eine schwere Niederlage erlitten. Die Rebellenbewegung SPLA (Sudanesische Volksbefreiungsarmee), die für die Unabhängigkeit des nichtmuslimischen Südens des Sudan kämpft, eroberte am Wochenende die Stadt Torit, eine der wichtigsten Garnisonsstädte der Regierungstruppen im Süden des Landes. Die Regierung bestätigte den Verlust und verkündete eine Generalmobilmachung. „Wir haben eine Schlacht verloren, aber nicht den Krieg“, sagte Armeesprecher General Mohamed Baschir Suleiman. Die Armee werde „durch die Mobilisierung all ihrer Truppen den Krieg in allen Kampfgebieten intensivieren“. Die Rebellen nahmen unterdessen nach eigenen Angaben gestern früh auch den Ort Liria ein. Liria liegt 50 Kilometer westlich von Torit auf der Straße nach Juba – der größten Stadt des Südsudan, die von der Regierung kontrolliert wird.
Torit ist eine der beiden größten Städte der Provinz Ostäquator, die im äußersten Südosten des Landes an der Grenze zu Kenia und Äthiopien liegt. Die andere große Stadt der Provinz, Kapoeta, war im Juni an die SPLA gefallen. Die Einnahme Torits durch die Rebellen wurde nach Berichten aus katholischen Kirchenkreisen von intensiven Luftangriffen der Regierung auf die Zivilbevölkerung in SPLA-Gebieten nahe der Stadt begleitet. Am 27. August hatte die SPLA erklärt, Torit sei die Basis der Regierung für eine geplante Großoffensive.
In Reaktion auf den SPLA-Erfolg verkündete die Regierung gestern Nachmittag ihren Rückzug aus den Friedensgesprächen mit den Rebellen, die derzeit im kenianischen Machakos stattfinden. Sollte dieser Rückzug endgültig sein, wäre die neue Hoffnung auf ein Ende des Sudankriegs geplatzt, die am 20. Juli mit der Unterzeichnung eines Friedensplans durch beide Seiten unter US-Vermittlung geweckt worden war. In diesem Abkommen hatten sich beide Seiten geeinigt, innerhalb von sechs Jahren ein Referendum im Süden über den Verbleib der Region beim Sudan abzuhalten. Die Einigung galt als Durchbruch zur Beendigung des ältesten Bürgerkriegs in Afrika, dem seit 1983 2 Millionen der 5 Millionen Einwohner des Südsudan zum Opfer gefallen sind.
Erst am Freitag hatte ein Beobachter der Gespräche von der ostafrikanischen Regionalorganisation Igad gesagt, die am 12. August begonnenen Verhandlungen über die Umsetzung des neuen Plans verliefen besser als erhofft. „Wir bewegen uns schneller, als wir dachten, und ich kann versichern, dass die Gespräche früher als erwartet mit der Unterzeichnung eines umfassenden Waffenstillstands zu Ende gehen werden“, sagte er der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua. Allerdings wäre ein Waffenstillstand nur ein erster Schritt gewesen. Beiden Kriegsparteien im Sudan ist klar, dass der Ausgang eines Unabhängigkeitsreferendums im Süden des Landes davon abhängt, ob die Regierung oder die Rebellen die Region kontrollieren. Voraussetzung für sein Zustandekommen ist, dass sich Regierung und Rebellen darüber einigen, wie der Südsudan bis zu einem Referendum friedlich unter Wahrung der Interessen beider Seiten verwaltet werden kann, statt ein Schlachtfeld zu bleiben.
Im Kriegsgebiet waren die Kämpfe nach dem 20. Juli keineswegs abgeflaut. Die Regierung versucht, die neu entdeckten Ölfelder im Norden des Südsudan vor möglichen Rebellenangriffen zu sichern; die SPLA versucht, dies mit Vorstößen in die Ölregion zu verhindern. Internationale Verflechtungen erschweren eine rasche Lösung des Konflikts. Sudans Regierung arbeitet besonders eng mit den Regierungen des Tschad und der Zentralafrikanischen Republik zusammen, während die SPLA von Uganda sowie Rebellen im Nordosten des Kongo unterstützt wird. Uganda hat in Absprache mit Sudans Regierung eigene Truppen im Südsudan stationiert, die offiziell nach ugandischen Rebellen suchen.
DOMINIC JOHNSON
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen