Artenreiche Gewässer

Jenseits des großen Stroms: Das 9. Filmfest Oldenburg bietet von heute bis Sonntag eine Auswahl feinsten internationalen Independent-Kinos

von CORINNA KAHL

Film is bigger than life. Will heißen, dass die Eindrücke, die das Kino vermitteln kann, im wirklichen Leben nicht einfach an jeder Ecke zu finden sind. Das Kino, so verrät das Programmheft des Filmfest Oldenburg, ist ein Ort der Illusion und Identifikation, der Träume und der individuellen Realitäten.

Was aber unterscheidet den flächendeckend präsenten Publikumsmagneten, den Blockbuster von den vielleicht auf den ersten Blick eher unscheinbar wirkenden Independent-Filmen, von denen einige mit schöner Regelmäßigkeit von einer kleinen Minderheit zum Kultobjekt erkoren und frenetisch gefeiert werden?

Gleich mehrere Ansätze zur Antwort auf diese seit langem umkämpfte Frage verheißt das diesjährige Programm des Filmfestes. Wie jedes Jahr haben die Organisatoren eine facettenreiche und vielfältige Auswahl aus den verschiedensten Genres zusammengestellt: Die Palette reicht von der bitterbösen Komödie über fesselnde Reisen in virtuelle Realitäten bis hin zum Drama, das unter die Haut geht.

Eröffnet wird das Filmfest heute Abend mit einem Beitrag aus der Internationalen Reihe: Mein Bruder der Vampir ist der Debütfilm des Ludwigsburger Filmstudenten und gebürtigen Hamburgers Sven Taddicken, der bereits in Hof, Rotterdam und Valenciennes ausgezeichnet wurde.

Die Internationale Reihe, deren Schwerpunkt die Konfliktpotenziale zwischenmenschlicher Beziehungen abhandelt, stellt auch den Abschlussfilm der schon fast legendären Closing Night am Sonntag, wo auch der German Independence Award verliehen wird.

Videoclip-Regisseur Philipp Stötzl, bekannt durch seine Arbeiten für Rammstein, A-ha, Garbage oder Madonna, feiert mit Baby ein fulminantes Spielfilmdebüt. In dem vor allem durch seine Optik bestechenden Drama interessiert sich die junge Lili, die von ihrem Vater und dessen Kumpel großgezogen wird, deutlich mehr für Männer, als ihrem gestrengen Vater lieb sein kann. Als sie schwanger wird, zieht er jedoch zunächst einen falschen Schluss.

Weitere Highlights der Internationalen Reihe: Heart of America von Uwe Boll mit Jürgen Prochnow und Elisabeth Rosen, und Bigas Lunas Son de Mar in einer Deutschlandpremiere – hier gibt‘s ein Wiedersehen mit Leonor Watling, der schweigsamen Alicia aus Pedro Almodovars Hable con ella.

Die große Retrospektive ehrt auch in diesem Jahr wieder einen Individualisten: Bernard Rose unterstreicht in seinen Arbeiten wiederholt die Wandlungsfähigkeit des Kinos und geht dabei immer konsequent seinen eigenen Weg. Den Höhepunkt der Reihe bildet sein mit der Videokamera realisiertes Low-Budget-Projekt Ivans xtc., das nach seinem Anna Karenina einen weiteren russischen Klassiker zum Ursprung hat: Tolstois Der Tod des Iwan Iljitsch, eine Konfrontation mit der eigenen Sterblichkeit.

Ein absoluter Geheimtipp des Festivals ist Daryl Hannahs Dokumentarfilm Strip Notes. Hannah dokumentierte während der Dreharbeiten zu Michael Radfords Dancing at the Blue Iguana die Arbeit professioneller Tänzerinnen bei dem Versuch, den Schauspielerinnen das Tanzen beizubringen.

Mehr Infos und das gesamte Programm findet man im Internet unter www.filmfest-oldenburg.de, zu allen Veranstaltungen sind noch Karten an den Kinokassen zu bekommen.

Eröffnungsgala (mit Mein Bruder der Vampir): heute, 19:30, Wall Cinocenter, Heiligengeistwall 3; anschl. Eröffnungsparty im Loft, Baumgartenstr. 2Ivans xtc. (Retrospektive): Do, 5.9., 20 Uhr, Casablanca, JohannisstraßePremiere 99euro-films: The European Project: Fr, 6.9., 20 Uhr, OLB Kino, Gottorpstr. 23–27Closing night: Baby u. Verleihung des German Independence Awards, So, 8.9., 20 Uhr, Wall Kinocenter, Heiligengeistwall 3