: Es geschah im Herbst
MONTAG, 5. SEPTEMBER 1977, 17.28 Uhr: Schleyer wird auf der Fahrt zu seiner Wohnung in Köln-Braunsfeld von vier RAF-Terroristen nach einer wilden Schießerei entführt. Im Kugelhagel sterben Schleyers Fahrer und drei begleitende Polizisten.
19.47 Uhr: Die Polizei findet das Fluchtfahrzeug, einen weißen VW-Bus, nach einem Zeugenhinweis in der Tiefgarage eines Hochhauses am Wiener Weg in Köln-Junkersdorf. Die Täter haben Schleyer jedoch mit einem anderen Wagen längst in eine Hochhauswohnung an der Straße Zum Renngraben in Erftstadt-Liblar westlich von Köln gebracht.
DIENSTAG, 6. SEPTEMBER: Die RAF fordert schriftlich die Freilassung von elf inhaftierten Terroristen, darunter die in Stuttgart-Stammheim einsitzenden Andreas Baader und Gudrun Ensslin. Zehn Häftlinge sollen im Austausch gegen Schleyer in ein Land ihrer Wahl ausgeflogen werden. Doch Kanzler Helmut Schmidt (SPD) und der Chef des Bundeskriminalamts (BKA), Horst Herold, geben nicht nach. Sie spielen in den darauf folgenden Wochen auf Zeit – in der Hoffnung, das Versteck Schleyers noch rechtzeitig zu entdecken. Doch stattdessen gibt es Fahndungspannen: Frühzeitige Hinweise auf die Wohnung in Erftstadt gehen verloren.
FREITAG, 9. SEPTEMBER: In Eilbriefen unter anderem an das Bonner Büro der Nachrichtenagentur AFP stellt die RAF eines von mehreren Ultimaten, die die Behörden an den kommenden Tagen allesamt verstreichen lassen. Schleyer wird von seinen Entführern in der Folgezeit aus Erftstadt nach Den Haag und später nach Brüssel verschleppt. Zugleich sprechen Mitglieder des harten RAF-Kerns in Bagdad mit Vertretern der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) über deren Angebot für eine „Hilfsaktion“, mit der die Bundesregierung in die Knie gezwungen werden soll.
DONNERSTAG, 13. OKTOBER, 14.38 Uhr: Die französische Flugsicherung meldet eine Kursabweichung des Lufthansa-Fliegers „Landshut“, der sich mit 86 Urlaubern auf dem Flug vonPalma de Mallorca nach Frankfurt am Main befindet. Der Lufthansa-Flug 181 ist von einem vierköpfigen PFLP-Kommando gekapert worden. Die Entführer fordern die Freilassung der elf RAF-Terroristen und zweier Palästinenser in der Türkei sowie 15 Millionen US-Dollar. Die Maschine fliegt über Rom weiter nach Dubai und Aden.
SONNTAG, 16. OKTOBER, nachmittags: Der Anführer des Terrorkommandos erschießt in Aden vor den Augen der ensetzten Passagiere den Flugkapitän Jürgen Schumann.
MONTAG, 17. OKTOBER: Die „Landshut“ landet in Somalias Hauptstadt Mogadischu. Staatsminister Hans-Jürgen Wischnweski (SPD) trifft als Vertreter der Bundesregierung ein. Bei Dunkelheit landet später auch die GSG 9.
DIENSTAG, 18. OKTOBER, 00.05 Uhr: Die GSG 9 stürmt das Flugzeug und erschießt drei Terroristen; die Entführerin Souhaila Andrawes wird schwer verletzt. Bei der Aktion „Feuerzauber“ bleiben die Passagiere abgesehen von wenigen leichten Blessuren unverletzt.
Kurz nach 08.00 Uhr: Wenige Stunden nach der gescheiterten Flugzeugentführung entdecken Wachtmeister im Stammheimer Hochsicherheitstrakt die Leichen von Baader und Ensslin. Der Obduktionsbericht lautet auf Selbstmord: Baader hat sich erschossen, Ensslin erhängt. Auch der in einer Nachbarzelle einsitzende RAF-Terrorist Jan-Carl Raspe stirbt an den Folgen eines Kopfschusses; das RAF-Mitglied Irmgard Möller überlebt mit Schnittverletzungen. Die offizielle Selbstmordversion bleibt – gerade in der linken Szene – umstritten.
MITTWOCH, 19. OKTOBER, 21.11 Uhr: Am 44. Tag nach seiner Entführung wird Schleyer erschossen im französischen Mühlhausen aufgefunden. Die RAF hat seine Leiche in den Kofferraum eines grünen Audi gelegt. In ihrem fünfundzwanzigsten und letzten Brief an die Bundesregierung schreiben die Entführer: „Wir haben nach 43 Tagen Hanns-Martin Schleyers klägliche und korrupte Existenz beendet.“
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