: Stau für Luxusliner
Bundesklanzler Gerhard Schröder eröffnet das große Emssperrwerk. Umweltverbände kritisieren die Inbetriebnahme als „rechtlich fragwürdig“
von SILVAN NIEDERMEIER
Kanzler Schröder kam, sah und drückte den roten Knopf zur Inbetriebnahme des Emssperrwerks. Vor vier Jahren hatte er noch als niedersächsischer Ministerpräsident den ersten Rammschlag zum Bau des Emssperrwerks gesetzt. Gestern nahm er das Bauwerk in Betrieb. Begleitet wurde die Eröffnung von der Kritik zahlreicher Naturschutzverbände.
„Dass Schröder heute den roten Knopf drückt, ist aus unserer Sicht rechtlich fragwürdig“, erklärte Robert Exner vom BUND Niedersachsen gegenüber der taz. Für das Sperrwerk liege noch kein genehmigter Betriebsplan vor, so die Kritik zahlreicher Umweltverbände. Das Tor wurde zwar gestern symbolisch einmal geschlossen, die Genehmigung soll jedoch frühestens im Oktober folgen.
215 Millionen Euro, so die offiziellen Angaben, soll das oft als „Jahrhundertbauwerk“ bezeichnete Sperrwerk den Bund und das Land Niedersachsen gekostet haben. Knapp 50 Millionen Euro mehr, als bei Baubeginn veranschlagt worden war. Es erstreckt sich auf einer Länge von 476 Metern am Dollart-Trichter, der Ems und Nordsee verbindet. Mit dem Stahlkoloss lässt sich die Ems auf 25 Kilometern von Gandersum bis zur Meyer-Werft in Papenburg aufstauen um dadurch die Durchfahrt der dort hergestellten großen Kreuzfahrtschiffe zu ermöglichen.
Offiziell soll das Bauwerk nicht nur die Durchfahrt der Luxusliner ermöglichen, sondern die Region im Hinterland vor Sturmfluten schützen.
Seit Jahren wird der Bau des Sperrwerks von Umweltverbänden bekämpft. Schröder hatte 1996 eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich mit einer Sperrwerkslösung beschäftigen sollte. Nach dem Baubeginn 1998 hatten die Umweltverbände einen einjährigen Baustopp vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg erzwungen. Das Bauwerk, so das Klageargument, zerschneide das Nendorper Vorland, einen durch die europäische Vogelschutzrichtlinie geschützten Rast-und Brutplatz seltener Vogelarten. Die Bezirksregierung Weser-Ems erreichte die Aufhebung des Baustopps damals durch eine Ergänzung der Sperrwerksgenehmigung. Allerdings steht im Hauptverfahren eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts in Lüneburg noch aus. Aufgeben wollen die Umweltschützer ihren Protest zumindest nicht: „Die Klage hat EU-weit Präzedenzfallcharakter. Es geht um die Frage, ob FFH-Richtlinien und EU-Vogelschutzrichtlinien einfach außer Acht gelassen werden können“, betonte Exner.
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