: Da Capo, Kanzler
Angst geht um unter Deutschlands Intellektuellen. Bald könnte sie vorbei sein, die schöne Zeit, da sich Geist und Macht auf Festen und Cocktailpartys gegenseitig befruchten. Schon rühren Deutschlands Tiptop-Schauspieler wie Iris Berben in ganzseitigen Magazinanzeigen die Werbetrommel für Bundeskanzler Gerhard Schröder, lassen Pur ihr „Abenteuerland“ wie ein wehmütiges Abschiedslied anklingen, hält Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass bei Alfred Biolek des Kanzlers ruhige Hand. Spitzenfeuilletonisten wie Ulrich Speck lobpreisen in einer Kolumne der Frankfurter Rundschau mit dem Titel „Da Capo“ den Staatsmann Schröder, einen ganz und gar eleganten Staatsmann, für den man sich endlich nicht mehr schämen müsse. Edelfeder Michael Rutschky schwärmt von lauen Rotwein-Abenden auf der Treppe des Kanzleramtes, der Poet auf einer Stufe mit seinem Potentaten sozusagen, und droht in der taz, ein schnöder Nichtwähler zu werden, sollte das undankbare Fußvolk den Kanzler abstrafen. Damit es so weit nicht kommt, starten Deutschlands Intellektuelle eine Initiative unter dem Namen „The Brains“. Wie weiland die Les Humphry Singers das schöne Mexiko, wollen sie den Bundeskanzler hymnisch verehren. Der Text des Liedes, für das Gerüchten zufolge Ralph Siegel und/oder Wolfgang Niedecken die Musik geschrieben haben sollen, ist Wahrheit-Mitarbeiter Bert Burg per E-Mail zugeschickt worden – „zum schon mal Auswendiglernen“. Herr Burg legt allerdings Wert auf die Feststellung, den Brains niemals angehört zu haben. „Ich bin da aus Versehen im Verteiler gelandet. Ich kann auch gar nicht gut singen.“ Hier nun der Text des Songs mit dem schönen Titel „Da Capo, Kanzler“:
(Intro – am besten von einem der Schauspieler zu getragener Musik gesprochen)
Du warst das Licht am Ende schwarzer Jahre In deinem Glanze sonnen wir uns Hand in Hand In dir vereint strahlt das Gute, Schöne, Wahre Hoch sollst du leben, blühen soll das Land
(Refrain – alle)
Du bist alles und noch mehr Bist das fünfte Element Lenkst uns geradeaus, denkst quer Lieb wie Hase, stark wie Bär Und ein jeder, der dich kennt Stimme in das Lied mit ein Gerhard Schröder, du sollst ewigUnser Bundeskanzler sein.
(Chorus – jeweils von einem, höchstens zwei Sängern)
Schwarze Kettenhunde bellen Fern im dunklen Schattenreich Doch wir Intellektuellen Tun es unsrem Kanzler gleich Bauen um uns starke Mauern Hoch und herrlich, Stück für Stück Soll‘n am Rand die Lumpen kauern In der Mitte tanzt das Glück
(Refrain – alle)
Wenn sich böse Zungen grämen Wegen unsrer Eleganz Singen wir, statt uns zu schämen: Unser Bundeskanzler kann‘s!
(Refrain, ruhig drei-, viermal, wenn die Stimmung gut ist, auch zehnmal, dazu klatschen und tanzen. Dann das Finale mit Appell – alle gehen Hand in Hand in einer Reihe nach vorne, wenn die Bühne breit genug ist. Andernfalls in zwei Reihen, und die Kleinen müssen nach vorne!)
Ooh – Ouo – Yeah Richtig wählen fällt nicht schwer Uuh – uhu – Jaaaa Unsere Herzen sehen klar: Unsre Welt wär‘ öder Ohne Gerhard Schröder!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen