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Wenn Ledernacken klagen

Der Taxibranche geht es schlecht – so schlecht, dass rund 1.000 Chauffeure in Berlin für bessere Bedingungen in ihrem Gewerbe demonstrierten. Doch die Politik verspricht Abhilfe. Nach der Wahl

von PLUTONIA PLARRE

Rudi ist immer dabei, wenn Klaus H. auf Tour geht. Rudi ist ein weißgrüner Stoffhase, Klaus H. ist Taxifahrer. Früher war der 42-jährige Mann, dessen Bauch kaum hinter das Lenkrad passt, Metzger und Koch. Als der Rücken vor gut sechs Jahren nicht mehr mitmachte, machte er sein Hobby zum Beruf. „Autofahren ist für mich das Schönste“, sagt Klaus H. Das Problem ist nur: Die Geschäfte gehen schlecht. So schlecht, dass rund 1.000 Taxifahrer aus dem ganzen Bundesgebiet gestern mit einer Sternfahrt für bessere Bedingungen in ihrem Gewerbe demonstrierten.

Klaus H. gehört zu der Sorte Taxifahrer, die von Insidern als „Ledernacken“ bezeichnet werden. Ledernacken, weil sie einen fleischigen Nacken haben, im Winter eine Lederweste tragen und reaktionäre Sprüche dreschen. Denn dass er nur noch so wenig im Portmonee hat, liege nicht nur an der steuerlichen Benachteiligung der Taxibranche, meint Klaus H. In Berlin gebe es mit 6.900 zugelassenen Taxen einfach zu viele Droschken. Dazu kämen die vielen Schwarzfahrer im Taxigewerbe. „Das sind vor allem Personen aus dem anderen Kulturkreis“, so Klaus H. „Einer sieht wie der andere aus. Sie drücken dem Fahrgast den Fahrplan in die Hand und kennen noch nicht mal die Straße.“

Die Ledernackenfraktion schien bei der Demonstration zwar in der Mehrzahl vertreten. Es gab aber auch andere Stimmen. Da war zum Beispiel der 49-jährige gebürtige Engländer Kevin A., der seit zwölf Jahren in Berlin Droschke fährt, statt die Bild lieber einen Mathematik-Duden studiert und die Ledernacken ganz offen als „reaktionäre Arschlöcher“ bezeichnet. An seiner Stammhalte, so Kevin A., würden solche Sprüche nicht gedudelt. „Wir sind eine homogene Gruppe und haben bereits ausgedealt, am 22. September mit der Erststimme Grüne und mit der Zweitstimme PDS zu wählen. Das ist das sicherste Mittel gegen Stoiber.“

Warum er dennoch zusammen mit den Ledernacken demonstriert? Den Droschkenfahrern gehe es wirklich schlecht, bestätigt Kevin A. Am Mittwoch habe er in einer Zehnstundenschicht gerade mal 64 Euro brutto inklusive Trinkgeld verdient. An manchen Tagen liege er sogar noch darunter. Für die Misere die Ökosteuer verantwortlich zu machen, sei lächerlich. „Die Menschen geben einfach weniger Geld aus.“ Das Erste, worauf verzichtet werde, sei der Luxus: Taxifahren, Kneipen- und Bordellbesuche. Wenn sie steuerlich besser gestellt würden, wäre den Taxifahrern zumindest ein bisschen geholfen, meint Kevin A.

So gesehen müssen die Worte der Grünen Bundestagsabgeordneten Franziska Eichstädt-Bohlig Balsam für Kevin A.s Seele gewesen sein. Laut Bohlig wollen die Grünen, dass die Taxis dem öffentlichen Nahverkehr gleichgestellt werden. Das hieße: Befreiung von der KFZ-Steuer.

Die stellvertretende Vorsitzende der PDS-Bundestagsfraktion, Petra Pau, kündigte an, dass sich der Berliner Senat bei der Flughafen-Holding für eine Rücknahme der Flughafengebühr für Taxifahrer einsetzen werde. Das Berliner Landgericht hatte die Gebühr von 75 Euro unlängst in einer einstweiligen Verfügung gestoppt. Auch der CDU-Landesvorsitzende Christoph Stölzl versprach auf der Kundgebung für die Probleme der Taxifahrer Abhilfe: „Wir müssen das nach dem 22. September dringend in Ordnung bringen.“

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