: Aus kalkulierten Konflikten lernen
Die Entwicklungszusammenarbeit ist eine Form kultureller Grenzüberschreitung, die gelernt sein will
taz: Herr Hüsken, Sie bereiten unter anderem Experten aus der so genannten Entwicklungszusammenarbeit auf Auslandseinsätze vor. Was lernen die Teilnehmer?
Thomas Hüsken: Die Teilnehmer lernen, sich zu orientieren und mit vielfältiger Unterschiedlichkeit umzugehen. Das heißt, dass ich nicht davon ausgehe, dass sich Kultur und kulturelle Identität eindeutig messen und darstellen lassen, dass man etwa lernen könnte, wie „der“ Araber, Ägypter oder Deutsche ist.
Ich bin davon überzeugt, dass man es mit Individuen und Milieus zu tun hat, die ganz unterschiedlich disponiert sein können. Globalisierung beinhaltet nun mal die Grenzüberschreitung von Bildungsinhalten, Lebensstilen und Wertorientierungen.
Auslandexperten bewegen sich in Umfeldern, in denen unterschiedliche soziale, politische und ökonomische Interessen verhandelt werden. Das gilt für Individuen aber auch für Gruppen. Daraus folgt, dass die Teilnehmer lernen müssen, andere Interessen zu erkennen und Aushandlungsprozesse zu gestalten.
Was halten Sie von den „to-do -Listen“, in denen das vermeintlich richtige Verhalten gegenüber anderen Kulturen aufgeführt ist?
Nichts. Eine Reihe dieser kniggeartigen Veröffentlichungen, die oft eine hohe Auflage haben, bewegen sich in der Regel auf dem Niveau von Fremdenführen. Konfliktvermeidung steht im Zentrum dieser Kulturknigge. Aber das Ins-Fettnäpfchen-Treten oder der kalkulierte Konflikt ist in der Ethnologie eine häufig verwandte Erkenntnismethode. Das führt nämlich zur Belehrung durch den Anderen.
Ein Beispiel: Ich habe im Auftrag der „Gesellschaft für technische Zusammenarbeit“ (GTZ) ein Gutachten in Ägypten erstellt. Dabei bin ich einmal in ein großes Beduinenzelt eingeladen worden und habe mich sehr gefreut, so viele Gesprächs- und Interviewpartner zu haben. Was ich nicht wusste: Ich war bei einer Beerdigung gelandet. In der Pause haben mich dann zwei Beduinen auf den Anlass für die Zusammenkunft hingewiesen. Daraufhin habe ich kondoliert und auf weitere neugierige Fragen verzichtet. Obwohl ich einen kardinalen Fehler gemacht hatte, konnte ich im Anschluss an die Feier viele Interviews führen. Man hat mir diesen Fehler nicht übel genommen. Im Gegenteil: Aus dieser Begegnung sind Freundschaften hervorgegangen, die bis heute bestehen.
Kann interkulturelles Verständnis tatsächlich erlernt werden?
Was erlernt werden kann, sind Offenheit, Respekt, Toleranz und Fairness gegenüber Andersartigkeit. Zu der Offenheit gehört es aber auch, klar die eigenen Positionen und Interessen zu formulieren und nicht alles mit dem Mäntelchen gespielter Toleranz zu überdecken.
Der Markt für interkulturelle Trainings boomt, die Zahl der Seminare steigt ständig. Wie lassen sich seriöse von unseriösen Anbietern unterscheiden?
Das ist ausgesprochen schwierig. Wenn ich mir den Markt im Moment angucke, scheint die Konjunktur in diesem Bereich eher zurückzugehen. Das lässt sich auch daran ablesen, dass häufig mit „Geld-zurück-Garantien“ gearbeitet wird, was vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen wäre.
Es gibt auf diesem Markt nur sehr wenig Transparenz. Auch der Dachverband der Interkulturalisten, die „Society for international education and training“ – kurz: Sietar – lässt eine wirkliche Qualitätskontrolle von außen nicht wirklich zu. Außerdem gibt es keine offizielle Stelle, die die Qualität solcher Trainings kontrolliert. Das gilt aber für den gesamten Beratermarkt. In Deutschland basieren viele Trainings auf den Büchern von drei oder vier Autoren.
INTERVIEW: VOLKER ENGELS
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