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Eisiges Schweigen überwinden

Wenn sich Mitarbeiter eines Unternehmens in die Haare bekommen, sprechen sie am Ende häufig nicht einmal mehr miteinander. Die Arbeitspsychologin Andrea Fritsch im Interview über Chancen und Strategien des Konfliktmanagements

taz: Wann ist beim Krach in einer Firma Hilfe von außen angebracht?

Andrea Fritsch: Das Schlimmste sind hohe Fehlzeiten, Lustlosigkeit und ein schleppender Informationsfluss. Oft wird nur noch über dritte Personen miteinander kommuniziert – „Sag du das dem mal, ich sprech den nicht mehr an“. Das bedeutet einen großen Verlust an Effizienz und Produktivität.

Warum reden viele nach einem Streit nicht mehr miteinander?

Wenn Menschen kommunizieren, werden ihre Bedürfnisse und Interessen sichtbar. Im Konfliktfall geht es nur noch darum, wer Recht hat und wer im Unrecht ist. Es geht also um Sieger und Verlierer. Im Streit gibt es nie das Win-Win-Paradigma, sondern immer nur den Mächtigeren – und den Unterlegeneren. Wenn ich nicht Sieger sein kann, möchte ich mich gar nicht erst unterhalten. Was habe ich davon? Das etwa ist die Haltung.

In welchen Dimensionen geht dabei Geld verloren?

Ein Beispiel: Ich wurde in die Personalabteilung eines großen deutschen Unternehmens gerufen, in der es seit drei Jahren gekriselt hat. Zwischen Führung und Mitarbeitern funktionierte nichts mehr. Vakante Stellen waren zu besetzen, was man erst drei Monate später entdeckte. Bis dahin hatten sich jede Menge Überstunden angehäuft, Leute waren krank geworden – die Firma hat in jeder Hinsicht draufgezahlt.

Sind bestimmte Branchen oder Unternehmensebenen besonders gefährdet?

Konflikte gibt es auf allen Hierarchiestufen, nur spricht man in den unteren Ebenen mehr darüber. Interessant ist, dass einige Konzerne Konfliktmanagement und Mediation mittlerweile nicht mehr als Tabuthema sehen, sondern sich bewusst Hilfe von außen holen. Andere denken noch nicht so weit, dass es für sie von Vorteil sein kann, mit Dritten zusammenzuarbeiten. Sie fahren noch die Sieger-Verlierer-Strategie, halten es mit ihren Konflikten wie vor 20 Jahren – und zahlen am Ende dafür.

Was ist eigentlich, wenn der Chef Sie ruft, obwohl er derjenige ist, der unfähig ist, sich Problemen zu stellen?

Die Führungskräfte sind in der Regel an den Konflikten beteiligt, sie sind ja Teil des Systems. Das muss vorab klar sein. Auch der Chef sollte deshalb mitmachen, falls nötig. Es gibt ja kaum Leute, die mit ihrem Chef völlig zufrieden sind. Die Mediation bietet der Führungskraft die Chance, Rollen, Positionen und Missverständnisse zu klären.

Und woran erkennt man ein guten Mediator?

An einer Ausbildung von mindestens 200 Stunden. Dass er überparteilich ist und sich in jede Welt hineinversetzen kann, aus der die Streitparteien kommen. Ein guter Mediator war auch schon mal selber Mediant und hat sich bei eigenen Konflikten beraten lassen. Und er hat im Hintergrund einen Coach, mit dem er den konkreten Schlichtungsfall reflektiert. So wird er nicht Teil des Systems. Der systemische Ansatz ist gerade in der Wirtschaft wichtig, weil es Faktoren innerhalb und außerhalb einer Firma gibt, die eine wesentliche Rolle spielen.

Was ist, wenn die Streithähne vereint auf den Mediator losgehen?

Man muss mit Gefühlen umgehen können. Konflikte sind zuerst einmal emotional – bevor sich auf der Sachebene Lösungen finden lassen. Hat der Mediator Angst vor Emotionen, ist das ganz schlecht. Er muss außerdem ein gutes methodisches Repertoire aus unterschiedlichen Schulen beerrschen, und er darf nicht in Rechtfertigungszwang geraten. Die Arbeitspsychologie mit ihrem gesunden Menschenbild ist da federführend, auch die Kommunikationswissenschaft spielt eine Rolle.

Und wenn man den Mediator einfach nicht leiden mag?

Also wenn schon das Vorgespräch nicht stimmig ist, sollte man sich lieber einen anderen Berater suchen. Es braucht Vertrauen zur Person und ihrer Kompetenz – das ist wesentlich und am Anfang zu klären.INTERVIEW: MARGRET STEFFEN

Andrea Fritsch, Jahrgang 59, gehört zum Vorstand des „Bundesverbandes für Mediation e.V.“. Die Arbeitspsychologin schlichtet seit 17 Jahren Konflikte in Unternehmen. Sie ist eine der ersten „systemischen Wirtschaftsmediatoren“ Deutschlands.

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