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Bye, bye Babelsberg

Ein Kino-Mythos, abgedreht: Die ehemaligen Ufa-Studios im Südwesten von Berlin feiern heute ihren 90. Geburtstag. Es könnte der letzte sein

Studios mit dem Charme eines kinematografischen Freilichtmuseums

von STEFFEN GRIMBERG

„Montag ist Ufa-Tag“, frohlockte zum Monatsanfang eine Pressemitteilung des Film- und Fernsehproduktionsriesen und meinte damit so eingängige Massenware wie den Soap-Dauerbrenner „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ oder die RTL-Knastserie „Hinter Gittern“. Heute ist wieder Montag – und ein ganz besonderer Ufa-Tag: 85 Ufa-Jahre gilt es zu feiern, am beinahe schon mystischen Ort, an dem 1917 alles begann: in den Filmstudios von Potsdam-Babelsberg.

Doch von guten Zeiten kann keine Rede sein: Die Babelsberger Studios gehören heute nicht mehr der Ufa, sondern dem französischen Medienmulti Vivendi. Fünf Tage vor der Jubelfeier, die die insgesamt 90 Jahre Filmproduktion in Babelsberg rühmen soll, feuerte der die Chefin seiner deutschen Filmfabrik. Gabriela Bacher, selbst erfolgreiche Kinoproduzentin, geht nach nur elf Monaten an der Spitze des „Studios im Herzen Europas“ (Bacher über Babelsberg). Ihren Platz bei der heutigen Gala und der gleichzeitig stattfindenden Branchenkonferenz nimmt der Mann ein, der sie abservierte: Vivendis oberster Deutschland-Repräsentant Thierry Potok.

Allzu laute Buhrufe bleiben ihm heute wohl erspart, denn aus Protest bleiben jetzt die Gäste weg: Regina Ziegler, die Doyenne der deutschen TV-Produktion, hat abgesagt. Auch Berlinale-Chef Dieter Kosslick, der ursprünglich die Laudatio halten sollte, stehe nicht mehr zur Verfügung, berichtet der Spiegel.

Ein zerstörtes Vertrauensverhältnis zwischen den Vivendi-Bossen hatte Potok so knapp wie hart zur Begründung des Bacher-Rauswurfs angeführt. Doch das künftige Schicksal der Babelsberger Studios dürfte den Lenkern des internationalen, von Milliardenschulden gebeutelten Medienkonzerns (Canal +, Universal Studios, Universal Music) herzlich egal sein: Vivendi hatte das traditionsreiche Areal, zu DDR-Zeiten Hauptsitz des Ufa-Nachfolgers Defa, 1992 für kleines Geld (67 Millionen US-Dollar) von der Treuhand übernommen. Dafür verpflichtete sich Vivendi, die Studios über zehn Jahre zu betreiben, was nochmals mit erklecklichen Fördermitteln versüßt wurde.

Wirklich um Babelsberg bemüht hat sich der Konzern indes kaum: Die Mythen der großen Zeit von Fritz Langs „Metropolis“ bis zu Josef von Sternbergs „Blauem Engel“ sollten für die Wiederauferstehung der Kinolegende reichen – und konnten zu keiner Zeit darüber hinwegtäuschen, dass das Filmgeschäft seit Jahrzehnten woanders stattfand.

Den Studios am Rande von Berlin blieb so trotz aufwändiger Modernisierung der Charme eines kinematografischen Freilichtmuseums, in dessen voll funktionsfähiger Kulisse die wechselnden Studioleitungen nach eigenem Gutdünken vor sich hinwerkelten. Ende 2002 kann der Konzern nun offiziell aussteigen. Dass er es will, hatten Vivendis Manager immer mal wieder durchblicken lassen.

Die Ufa selbst hat mit den Babelsberger Studios nicht mehr allzu viel zu tun. Sie ist heute Tochter des Bertelsmann-Konzerns, Deutschlands erfolgreichster TV-Produzent und unterhält gleich neben den historischen Babelsberger Filmhallen ein eigenes Studiohaus, in dem in erster Linie Fernsehware von der Stange abgedreht wird.

Dem einst größten Studiokomplex in Europa droht nun ausgerechnet zum Geburtstag der endgültige Abschied in den Mythos. Dabei sollte noch in diesem Herbst ein Filmprojekt starten, das einen Bogen über das ganze Babelsberg – von den expressionistischen Anfängen über die Propagandafabrik des Dritten Reiches bis ins Hollywood von heute geschlagen hätte: Jodie Foster wollte hier das Leben von Leni Riefenstahl verfilmen. Eingefädelt hatte den Deal: die Produzentin Gabriela Bacher.

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