: Pop geht zum Wiesel
Da helfen weder Gammelbart noch Schmerbäuchlein und schon gar keine schmuddeligen Kopfbedeckungen: Der Soundtrack zu „About A Boy“ beförderte den Badly Drawn Boy vom Geheimtipp zum Popstar. Morgen tritt er im ColumbiaFritz auf
von THOMAS WINKLER
Was macht ein Popstar, wenn die Haare dünner werden und ausfallen? Er setzt sich eine Mütze auf. Was aber macht ein Popstar, der solcherart gehandicapt nicht so viel Wert auf sein Image legt? Er setzt sich einfach eine Flohmarktmütze aus billiger Wolle und mit undefinierbar farbigen Streifen auf den Kopf. Und erreicht genau das Gegenteil: Die Mütze wird zum Markenzeichen. Zu einem so erfolgreichen, dass sie bereits dreimal von begeisterten Anhängern gestohlen wurde. Der Mann mit der Mütze heißt Damon Gough, verdient sein Geld unter dem Pseudonym Badly Drawn Boy und hat den Soundtrack zu „About A Boy“ geschrieben und eingespielt. Damit wurde er vom sympathischen Geheimtipp endgültig zur Berühmtheit – die Hollywood-Verfilmung des Nick-Hornby-Romans mit Hugh Grant in der Hauptrolle gelang aus dem Stand an die Spitze der Kinocharts.
Eine Rolle, die dem Strickwarenliebhaber gar nicht behagt. Der war bislang ganz zufrieden mit seinem Dasein als hauptsächlich von der Kritik und einer kleinen, eingeschworenen Fangemeinde geschätzter Musikant. Nun fürchtet der zweifache Vater aus Manchester, der Bäuchlein und Gammelbart gleichermaßen pflegt und sich selbst als „schmuddeliges Wiesel“ bezeichnet, um seine Privatsphäre. Er sei, so ließ er verlauten, nicht dafür geschaffen, berühmt zu sein.
Selbst schuld, möchte man da sagen. Hätte er doch nicht eine so gelungene Mischung aus Film-Score, freundlichen Daddel-Songs und gerade noch erträglichen Schmuseliedern verfasst! Die korrespondieren auf geradezu unverschämte Weise mit dem jungenhaften Charme von Hugh Grant. Dazu bedient sich der Kettenraucher Gough eines feinen Humors, der das gerade Gegenteil von Zynismus ist. Seine Musik drängt sich nicht auf, ist anheimelnd, ohne sich anzubiedern und sentimental, aber nicht depressiv.
Alles Qualitäten, die bereits auf seinem vor zwei Jahren erschienenen Debüt „The Hour of Bewilderbeast“ vorhanden waren. Gough aber versteckte die Songs perfiderweiser noch hinter einer unaufgeregten Vortragsweise und einer lakonischen Instrumentierung. Darüber hinaus leitete er ganz unbritisch einer seiner Songs auch schon mal mit Zeilen wie „I’ve been pissing in the wind“ ein.
Vor allem aber hat Gough eine seltsam ambivalente Strategie entwickelt und sich aus der beiläufigen Negation von Popstar-Klischees paradoxerweise ein einzigartiges Image gezimmert. Er liebt es, Erwartungen zu unterlaufen – und nimmt dann auch das Angebot an, ausgerechnet einen Hollywood-Film wie „About A Boy“ der Gebrüder Weitz zu vertonen.
Das allerdings, so sieht es momentan aus, geht nun doch nach hinten los: Aus dem kleinen Badly-Drawn-Boy-Kosmos ist plötzlich Allgemeingut geworden. Nun wird sich Gough wohl einen ausreichenden Vorrat an Kopfbedeckungen zulegen müssen.
Badly Drawn Boy spielt morgen Abend im ColumbiaFritz, Columbiadamm 8–11, Tempelhof
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen