Nadelstreifen und Schlabberklamotten

,,Cool“ umjubelt: Dominique Horwitz präsentierte an den Kammerspielen seine Mini-Rockoper über den Zeitgeist

Nadelstreifenanzug trifft auf Flower-Power-T-Shirt und Schlabberjeans – nachts in einem wunderbaren Waschsalon. Zwischen Vorwäsche und Schleudergang kommt es zur gründlichen Katharsis zweier konträrer Männerpersönlichkeiten. Sie findet ihren Ausdruck in heftiger Rockmusik, soften Schmuseklängen und barocker Händel-Pracht. Cool nennt sich das Ganze und ist Dominique Horwitz‘ neue Musikproduktion an den Kammerspielen. Die amüsante Mini-Oper mit einigem Tiefgang wurde bei ihrer Premiere umjubelt.

Das wird bei Horwitz extra große Erleichterung ausgelöst haben: Schließlich soll der Hamburger Schauspiel- und Gesangsstar (45) neuer Leiter des florierenden, aber in die kulturpolitische Debatte gekommenen Hauses an der Hartungstraße werden. Ein Flop zu einem Zeitpunkt, an dem sein Vertrag mit Kammerspiel-Besitzer Jürgen Hunke noch nicht ausgehandelt ist, wäre schon unangenehm gewesen. Doch der Künstler beweist nun bereits zum dritten Mal, dass er mit einem sorgsam zusammengestellten Musikprogramm zu faszinieren vermag.

Sind Brel und Best Of Dreigroschenoper, mit denen er seit Jahren Erfolg hat, Solo-Gesangsabende, so geht Cool in Richtung Bühnenstück. Dafür griff Horwitz auf Gefährten der früheren Produktionen zurück: Mit-Produzent, Co-Autor und Regisseur ist Christoph Hauptmann. Als Arrangeur und Leiter des zum Teil ebenfalls lange verbundenen Septetts zeichnet Jan-Christof Scheibe verantwortlich.

Cool ist ein Stück über den Zeitgeist. Zunächst ziemlich krude werden zwei bekannte Gegenwartsvertreter gegenübergestellt: Der aggressive Werber A. (Dominique Horwitz), dessen Leben von einem Slogan abhängt, und der esoterische Freak B. (Ole Puppe), der Sprüche klopft wie „Ich lass‘ mir Zeit“ ließen sich wohl auch als zwei Seelen einer Brust begreifen. Beide reizen einander so lange, bis jeder des anderen Lebens- und Liebeskonzept aufgemischt hat. Am Ende entdecken beide, traulich vereint, den Slogan „Imagination“ für sich.

Intensität und Power machen den Abend zum Vergnügen. Horwitz und der kongeniale Puppe agieren ohne Klischeebildung: Dank Spielfreude, Stimmkraft und viel Sinn für Ironie wirkt der Annäherungsprozess ihrer Helden komisch und ernsthaft zugleich. Zum Beispiel, wenn Horwitz tänzerisch den preußischen Stechschritt parodiert. Oder wenn beide zusammen einen gefühlvollen Tango wagen. Für den notwendigen Drive sorgen Scheibe und Band mit ihrem packenden Streifzug durch die Rock- und Popgeschichte, Beatles und Stones, „Waiting For The Sun“ und „Moon River“ inklusive.

Ulrike Cordes

täglich bis 29.9. (außer Mo), 20 Uhr, Kammerspiele