Mehr Park, mehr Mehdorn?

Ein Rechtsgutachten und Bürgerinitiativen fordern vom Land, das Gleisdreieck bei Vertragsabschluss nicht an die Bahn zu verscherbeln: Anstelle von mehr Gebäuden soll der geplante Park größer werden

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Der Brief kam Mitte September direkt aus dem Reichstag. Adressiert war er an den „sehr geehrten Herrn Regierenden Bürgermeister Wowereit“. Abgesandt hatte das Schreiben Franziska Eichstädt-Bohlig, baupolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, die Wowereit „eindringlich“ warnte, sich von der Bahn-Immobilientocher Vivico „erpressen zu lassen“. Das Land, so die Abgeordnete, dürfe sich beim Vertrag zur Bebauung des 62 Hektar großen Gleisdreiecks, auf dem rund 20 Hektar zu einem öffentlichen Park umgestaltet werden sollen, nicht in die Abhängigkeit der Bahn begeben. Diese beansprucht möglichst viel Raum für ihre eigenen Wohn- und Bürohauspläne vor Ort. Und nur wenn Berlin sich diesen Interessen anschließt, will die Vivico auch den versprochenen Park realisieren. Ein Deal, den Eichstädt-Bohlig ablehnt.

Hintergrund des Schreibens ist, dass der „Rahmenvertrag zur Gestaltung des Gleisdreiecks“ zwischen dem Land und der Bahn-Tochter derzeit in der Senatsbauverwaltung beraten wird und danach vom Senat beschlossen werden soll. Danach ist vorgesehen, ab 2005 mit der Bebauung von fünf Arealen am Rand der heutigen Brache zu beginnen. Von der Eylauer Straße im Süden bis hinauf zum Technikmuseum „bietet sich die Chance für die Entwicklung eines hochwertigen Wohn- und Arbeitsambientes“, wie Vivico-Sprecher Franz-Joseph Graf zu Stolberg euphemistisch meint.

Anlass des Briefes ist zugleich, dass die Bahn jetzt zusätzlich einen 120 Meter hohen Büroturm für ihr neues Headquarter am Landwehrkanal bauen möchte und dafür außerordentliches Planungsrecht benötigt – und ein neues Gutachten als Retourkutsche, das die Vivico-Planung aus Blöcken und Türmchen insgesamt in Frage stellt.

In der Tat könnte das von der Bürgerinitiative AG-Gleisdreieck bei Rudolf Schäfer, Dekan am Fachbereich Architektur der TU, in Auftrag gegebene Rechtsgutachten für neue Verhältnisse auf dem seit Jahren umstrittenen Gleisdreieck-Park sorgen. Kommt Schäfer jetzt doch zu dem Schluss, dass eine Kommune auf Eisenbahnflächen die eigenständige Planung für sich beanspruchen darf, wenn die Bahn nachweislich die Flächen „nicht betriebsnotwendig“ braucht oder die weitere Entwicklung „absichtlich verzögert“.

Genau dies sei geschehen, argumentieren Schäfer und Eichstädt-Bohlig: Weder betreibe die Bahn die Flächen noch dürfe sie darum darauf planen. Außerdem werde das Land von den „finanziellen Interessen der Bahn unter Druck gesetzt“, so Eichstadt-Bohlig, indem diese übermäßig viel Baufläche (über 17 Hektar) und ein Hochhaus forderte und erst dann gewillt sei, dort den Status als Bahngelände aufzugeben und den Park zu realisieren.

Die Parkbefürworter setzen jetzt auf eine Revision der Vivico-Pläne und den Verzicht des Mehdorn-Turms. Grundlage für die Gestaltung am Gleisdreieck müsse der 1998 aufgestellte Flächennutzungsplan bleiben, fordert Christian Schmidt-Hermsdorf von der Bürgerinitiative. Damals seien 11 Hektar für eine Randbebauung angedacht gewesen und 35 Hektar für die Anlage von Grün- und Sportflächen sowie der Erhalt der wilden Vegetation. Dieser Status müsse erneut erreicht werden, sagt Norbert Rheinlaender von der BI-Westtangente: Und zwar indem das Land wieder „Planungshoheit“ über die Fläche erhalte und zugleich der Vivco zusätzliche Areale zu günstigen Konditionen abkaufte, um einen größeren Park umzusetzen. „Deshalb darf der Rahmenvertrag nicht unterzeichnet werden.“ Notfalls klage man dagegen.

Friedrichshain-Kreuzbergs grüner Baustadtrat Franz Schulz und die Bauverwaltung sind skeptisch, ob diese Rechnung aufgeht. Zum einen bestehe eine Verabredung zwischen Bahn und Land über die Entwidmung, auch werde das Gelände partiell durch die S-Bahnlinien weiter genutzt. Zum anderen seien die öffentlichen Kassen zu leer, um Grundstücke zu erwerben. Schließlich könnte ein neuer Rechtsstreit, so ein Vertreter der Baubehörde, die Realisierung des Parks im Jahr 2004 weiter verzögern. „Wollen wir das?“, fragt er. Vielleicht hat darum Wowereit Eichstädt-Bohlig noch nicht geantwortet.