Kotau vor den Konservativen

Die japanische Notenbank kauft Aktien von Geschäftsbanken auf. Deren Kurse springen daraufhin rasant in die Höhe. Ministerpräsident Junichiro Koizumi hat für heute ein Antideflationspaket angekündigt

TOKIO taz ■ Die japanische Notenbank (BoJ) erkundet schon seit längerer Zeit für andere Zentralbankräte unbekanntes Territorium. Die De-Facto-Nullzinspolitik, die vor 18 Monaten nach kurzer Unterbrechung wieder eingeführt wurde, gehört zu diesen unerforschten Gebieten. Auch die Bereitstellung von fast 100 Milliarden Euro, um die Liquidität der Geschäftsbanken zu sichern, ist normalerweise nicht üblich. Am Mittwoch segelte die BoJ in ein gänzlich neues Gefilde: Sie verkündete, dass sie die Aktien von Geschäftsbanken kaufen wolle, um das angeschlagene Finanzsystem im Lande zu stabilisieren.

Die Ankündigung löste an der Tokioter Börse eine Hausse für die Bankentitel aus, die im Schnitt um mehr als 12 Prozent stiegen. Der Nikkei-Index ging daraufhin am Donnerstag um 2,1 Prozent auf 9.669 Zähler hoch und auch der breiter gefassten Topix legte um 1,7 Prozent zu.

Die neue Politik der BoJ ist ein Novum in der 120-jährigen Geschichte der Insititution, die erst vor fünf Jahren ihre Unabhängikeit vom mächtigen Finanzministerium und damit von der regierenden Liberal-Demokratischen Partei von Ministerpräsident Junichiro Koizumi gewonnen hat. Die nun beschlossenen Stützmaßnahmen für die Banken, die von konservativen Politikern schon seit längerer Zeit angemahnt worden waren, sehen für viele Beobachter aus wie ein erneuter Kotau vor der Politik. Die Glaubwürdigkeit der Notenbank ist angeschlagen. BoJ-Chef Masaru Hayami, der sich zuvor gegen jegliche direkte Einmischung in den Finanzmarkt gewehrt hatte, verteidigte sein Vorgehen. Die direkten Aktienkäufe seien notwendig geworden, nachdem die Börse in den vergangenen Wochen Rekordtiefstände erreicht hatte.

Die japanischen Banken sind im Gegensatz zu ihren ausländischen Konkurrenten weit stärker abhängig vom Lauf der Tokioter Börse. Schon vor über einem Jahr hatte die Finanzaufsicht (FSA) die Banken aufgefordert, ihre Aktienbeteiligungen so stark zurückzufahren, dass ihr Wert das Kernkapital nicht übersteigt. Die Forderung führte dazu, dass sich japanische Banken von Überkreuzbeteiligungen trennten, um so einerseits der Vorgabe der FSA nachzukommen und gleichzeitig ihre Eigenkapitalbasis zu stärken, die auch wegen der Abschreibung von Problemkrediten stark unterhöhlt worden war.

Die dritte und tiefste Rezession in diesem Jahrezehnt und die Deflationsspirale im Land führten allerdings dazu, dass bei den Banken trotz Aktienverkäufen und hohen Abschreibungen die Zahl der faulen Kredite weiter zunahm. So kam es, dass zehn der wichtigsten Geschäftsbanken gemäß der Notenbank Ende März dieses Jahres Aktienbeteiligungen im Wert von rund 25 Billionen Yen (215 Mrd. Euro) hielten und ihr Kernkapital zum gleichen Zeitpunkt nur gerade 17 Billionen Yen (146 Mrd. Euro) betrug. Die BoJ wird nun wahrscheinlich mit Aktienkäufen direkt von den Banken die Differenz schließen und dafür rund 70 Milliarden Euro ausgeben.

Die Maßnahme soll eine doppelte Wirkung erzielen. Einerseits möchte die BoJ die Geldmenge erhöhen, weil mit dem Aktienkauf Zentralbankgeld in den Bargeldumflauf fließt. Andererseits werden die Banken gestützt und vor Kursverlusten geschützt.

Ministerpräsident Koizumi erklärte am Donnerstag, dass die BoJ-Maßnahme im Umfeld eines großen Antideflationspakets angesiedelt ist, das heute vorgestellt werden soll. Neben Steuerermäßigungen in Höhe von rund acht Milliarden Euro werden auch Schritte zum beschleunigten Abbau von Problemkrediten im Bankensektor erwogen.