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Deutsche Töne nach Quote

Die Forderung von Medienstaatsminister Nida-Rümelin nach einer Deutschquote für Musiksender wird von einem fast vergessenen Barden dankbar propagiert. Doch die Musikbranche hat ihre eigenen Regeln

BERLIN taz ■ Wolf Maahn hat eine bewegte Laufbahn hinter sich, und deren Höhepunkt liegt, alles in allem, etwa 20 Jahre zurück. Zu den besten Zeiten der Neuen Deutschen Welle sang er „Fieber“, ein Song, der gerne in den Oldieabteilungen von Radiosendern gespielt wird, weil er die alt gewordene Hörerschaft daran erinnert, dass die alten Zeiten die besseren waren.

Maahn, in Köln beheimatet, hat diverse Comebacks versucht, zuletzt vor anderthalb Jahren, als er bei der deutschen Vorentscheidung zur Eurovision nominiert war. Probentagelang lief er in Hannover umher und prophezeite durchaus hochgemut einen lockeren Sieg seinerseits – doch fand er sich am Ende mit „Better Life“ auf dem allerletzten, TED-mäßig gerade noch messbaren Bereich.

Nun hat er einen weiteren Versuch unternommen: Auf der Kölner Popkomm, dem Messetreff der Musikbranche, hat er sich an eine Idee von Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin angehängt. Der ließ eine etwas krude Vorstellung von Medienpolitik durchblicken, als er für Radioprogramme eine feste, bei etwa 40 Prozent liegende Quote für deutschsprachige Musik verlangte – einerseits für die etablierten Rockmusiker, andererseits für Newcomer. Die Sorge Nida-Rümelins um das deutsche Kulturgut hat einen Anlass: Die Zeiten sind schlecht für Männer und Frauen wie Maahn, Heinz-Rudolf Kunze, Ulla Meinecke oder Ina Deter – weil niemand ihre Neuproduktionen, wenn sie denn ein Plattenlabel veröffentlicht, hören will. „Früher wurden viele Bands erst durch begeisterte Radioredakteure zum Erfolg gebracht“, sagte Maahn mit Kummer. Heutzutage aber verfügten die Radiostationen über Marktforschungsinstrumente, um herauszufinden, was die Hörer wünschen: In deren Expertisen wird werden Altrocker wie Maahn freilich nicht vermisst.

Also nix mehr damit, den Redakteur in kumpeligen Nächten von der eigenen neuen Scheibe zu überzeugen – an dieser Unsitte sind ja viele öffentlich-rechtliche Sender quotenmäßig ins Nirwana geschickt worden: Sie spielten die Musik, die keiner hören wollte. Das war die Chance der damals gegründeten Privatsender. Und sie lernten schnell: Die meisten Jugendlichen (heftig umworben, weil am kauflustigsten) wollen andere Musik – wenn sie gut ist, dann auf Deutsch, aber meist auf Englisch.

Der Markt regelt also, was fett ist und was öde. Viele aus der Musikbranche stimmten freilich Maahn in Blättern wie dem Musikmarkt oder der Musikwoche zu – und das Gros unter ihnen verschwieg, was auch Nida-Rümelin geflissentlich unter den Tisch fallen lässt: dass es Deutsches in ätherischer Präsenz in allen deutschen Landen gibt, quotenstark obendrein: die NDR Hamburg-Welle oder WDR 4 oder Spreeradio und 19 andere Stationen mehr. Sie strahlen allerdings jenen Stoff aus, der landläufig als Schlager bekannt ist – Patrick Lindner also. Oder Michelle.

Aber in diese Ecke will Maahn keineswegs, er will der alte Rocker bleiben. Sein Wunsch nach „Artenschutz“ scheint ausschließlich persönlich motiviert: Die Titel von Herbert Grönemeyers neuer CD werden auf fast allen Radiokanälen gespielt – egal ob das Format auf Pop, Rock oder Schlager getrimmt ist. Und der Bochumer singt durchweg Deutsches. Marius Müller-Westernhagen, dessen neues Produkt im Spätherbst lanciert werden soll, wird gleichfalls in seinem Heimatidiom singen – und auch er ist ein Kandidat für alle Wellen.

Nida-Rümelins freundliches (und im Grunde ahnungsloses) Plädoyer für eine Deutschquote fand im Regierungsgehege noch weniger Anklang als Wolf Maahn beim Grand-Prix-Vorentscheid. Der Hinweis auf entsprechende französische Regelungen fruchtete auch nichts: Denn Frankreichs Radiosender profitieren nicht von einer Eindämmung des Angloamerikanischen, sondern von einer Förderpolitik der Musikkonzerne selbst. Anders als in Deutschland war es in Frankreich nie verpönt, in der Landessprache zu singen.

Hierzulande aber hat deutschsprachige Musik außerhalb des Easy Listening (ob als HipHop, Punk oder Elektrowave wie von 2raumwohnung) eben dann jede Chance auf Gehör, wenn deren Protagonisten gut sind, das heißt die Themen der Zeit glaubwürdig verkörpern. Und dass es an solchen Acts fehlt, liegt nicht den Radiosendern, sondern an den Major Companies (BMG, Universal, Sony), deren Trendscouts oft viel zu flüchtig nach so etwas wie der Tonspur zur Zeit fahnden.

Die Musikbranche in Frankreich leidet unter dem Verlust von Umsätzen viel geringer als die in Deutschland. Verantwortliche aus dem TV-Bereich kennen dieses Problem – und würden trotzdem keine Quote akzeptieren. Ein Sender wie der NDR sei verpflichtet zum Erfolg, gerade im Unterhaltungsbereich, so deren TV-Unterhaltungschef Jürgen Meier-Beer. Es käme auf keinen Fall in Frage, eine Sprachquote zu erfüllen –und damit die TV-Quote zu riskieren: „Sonst würde ich alle meine Musiksendungen sofort einstellen.“ JAN FEDDERSEN

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