: Wer schützt vor dem Sozialamt?
betr.: „Fortgesetzte Notaufnahme“ (Die Geschichte eines Simulanten aus Hilflosigkeit), taz.mag vom 14. 9. 02
Frustrierender Artikel. Man muss nicht über Versäumnisse von Eltern und Freunden lamentieren, aber man kann und sollte es doch über das Sozialamt. Zweimal die Zuständigkeit verweigert! Ist denen das Problem der Obdachlosigkeit völlig neu? Was passiert mit den anderen Obdachlosen dieser Stadt? Wie leicht wäre es gewesen, zu überprüfen, dass Markus P. kein „Sozialhilfetourist“ war oder was dergleichen die Fantasie der Behörden anregt?
Warum ist es am Ende Markus P., der sich ob der „Schande“ schämt? Warum nur stellt niemand die Systemfrage? Nämlich, dass es so gut wie keine (ach was, keine!) Kontrolle über Sozialamtsmissbrauch gibt, dass das Sozialamt womöglich bei den Kommunen, deren einzige Kontrolle in den eigenen Sparbedürfnissen besteht, schlecht aufgehoben ist, und dies zudem die Missbrauchsfälle zerfleddert, und das bei Menschen, die sowieso kein Forum und keine Lobby haben. Wo bleibt die Bürgerrechtsorganisation, die die Menschen vor dem Sozialamt schützt? Die die Politik drängt, den ganzen Regelwust der Sozialhilfegewährung zu durchkämmen? Die der Öffentlichkeit zu Bewusstsein bringt, dass die Sozialämter mit ihren kleinen allmächtigen Beamten der Bürokratie im russischen Absolutismus würdig wären, aber nicht einer demokratischen Gesellschaft?
Stattdessen herrscht in den Köpfen der Menschen die Vorstellung von Sozialhilfemissbrauch. Es ist doch zum Verzweifeln!
PETRA MAISCH, Stuttgart
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