Die Sonne im Sonnenhof

Pilspause in Aufseß – einem Brauort aus dem „Guinness Buch der Rekorde“

In der dunkel bewaldeten Eifel hingegen fehlt der bedächtige Zug zu Rekorden

Der Mangel an frischem Pilsener in jenem Bus, der, von Bamberg losfahrend, über etliche Schlingstraßen und Schlenker schließlich doch die Ortschaft Aufseß erreichte, war ein eklatanter. Dieser Mangel ward augenblicklich und nämlich in dem Moment behoben, als man den Gasthof „Sonnenhof“ betrat und ein frisches Pilsener der Brauerei Röthenbach aus der Weltrekordgemeinde Aufseß zu erhalten wünschte, einer Gemeinde, die im „Guinness Buch der Rekorde 2001“ auf Seite 222 verzeichnet ist, weil sie pro dreihundert und ein paar mehr Einwohner eine Brauerei zur Verfügung zu stellen sich nicht scheut.

In der dunkel bewaldeten Eifel hingegen fehlt der bedächtige Zug zu Rekorden in Bier- und anderen Fragen. „Wahrheit und Wirklichkeit in Prüm“ sind ganz und gar anders, es ist dort, in Prüm, „das Krachen“ derart „stark und so allgemein, dass man sofort mit dem Schlimmsten zu rechnen“ nicht umhinkommt, aber in Aufseß ist alles wohlgeruhsam und -geordnet, denn man erhält dieses ersehnte und sehr erwartete Pilsener ohne Umstände. Trotz „Ruhetag“. Und nimmt ohne ein Ansinnen Platz auf der gepflasterten Terrasse des Gasthofs „Sonnenhof“.

Man mag das für eine Albernheit halten, aber die Sonne schien in diesen langen und langgezogenen Augenblicken auf der Terrasse des „Sonnenhofs“. Sie schien leicht und fließend und floss durch einige Erlen und Eschen, die den nebenan sprudelnden Bach säumten, auf den Tisch und dann auf den Boden herunter, zwischen den Stuhlbeinen erwirkte sie einen Schatten, der so in Prüm nicht möglich gewesen wäre.

In Prüm ist von einem solchen Schatten generell nichts bekannt. Man rechnet nicht mit ihm, dort, in Prüm. Prüm ist, verstehen Sie mich recht, vorzüglich. Aber selbst auf einer Getränketerrasse in Prüm fehlt es an allem, das einen Schatten wie diesen Aufseß-Schatten zu einer Möglichkeit, wenigstens zu einer Eventualität werden lassen könnte. Vorderhand mangelt es in Prüm an der speziellen Sonne.

Man goss das Pilsener in ein Glas und trank einen Schluck, einen vornehmen. Es kam noch ein Schluck hinzu. Bald umfing einen die Aufseßer Leichtigkeit des Bieres, diese Weltzuwendung durch das Gold im Glas, das sich der Unterstützung des Goldes des Himmels sicher wähnte und gewiss war.

Weil gleichwohl die Sonne über dem Sonnenhof etwas schwand und sich anschickte, hinter der Bierlagerhalle zu versinken, zog man an den nächsten und noch immer sonnenbeschienenen Tisch um, um weiter etwas Pilsener zu nippen. Ein Schluck tat Gutes. „Sonniger Tisch!“, dachte man und dachte, das stimmt sprachlich sicher nicht genau, aber es stimmt.

In Prüm unterdessen hoben zwei Männer „entsetzt ihre Hüte auf“. Andere Vorfälle folgten. Nicht nur in Prüm. Richard Wolf versichert, dass das „Bahnhofsleben in Bern“ sich derweil übel bemerkbar machte und „der Wind, der Regen oder irgend etwas“ tobte, bis sich „die große Kaltluftglocke über Mainz“ senkte.

In Aufseß entkam man währenddessen gleichsam unmerklich dem „unvermeidlichen Schicksal“ derer „in Schopfheim“. Es wäre dies, um Herrn W. das Wort zurückzureichen, „eine passende Gelegenheit zum Schweigen“, müsste nicht noch geplaudert sein, dass trotz eines langen Verweilens unter der Sonne im „Sonnenhof“ von Aufseß das Guttun des Pilseners bei normaler Landstille einfach nicht endete, weil es die besten Verhältnisse waren, da im Vorhof des Herzens Getränk und Literatur sich vereinten. Das würde selbst der ebenfalls anwesend gewesene Sonnenforscher Somm durchaus unter Eid nicht abstreiten. JÜRGEN ROTH