: Aber Strauß war besser
So knapp war es noch nie. Union gewinnt Wahl und stellt stärkste Fraktion. Doch Stoiber bleibt deutlich hinter seinem Ziehvater zurück. Regierungsbildung unklar. SPD verliert drei Prozentpunkte. Grüne klar vor FDP. PDS schafft die Fünfprozenthürde nicht
BERLIN dpa/afp/taz ■ Die Union mit Edmund Stoiber ist Sieger der Bundestagswahl und löst die SPD von Gerhard Schröder als stärkste Fraktion ab. Im neuen Parlament konnten nach den Hochrechnungen der Fernsehanstalten aber sowohl Rot-Grün als auch Schwarz-Gelb auf eine Mehrheit hoffen. Der Wahlausgang blieb offen. Er könnte durch die Verteilung der Überhangmandate entschieden werden.
Unionskanzlerkandidat Stoiber erklärte sich eine Stunde nach Schließung der Wahllokale zum Wahlsieger. Stoibers politischer Ziehvater Franz Josef Strauß erzielte allerdings 1980 mit 44,5 Prozent ein deutlich besseres Ergebnis. „Eines steht jetzt schon fest: Die Union hat die Wahl gewonnen“, sagte Stoiber in Berlin. „Wir haben genau auf die richtigen Themen gesetzt: die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit unseres Landes, die Zukunft unseres Landes, die Arbeitslosigkeit.“ Die Union habe mit Themen gepunktet und nicht mit „Angstmacherei“. CDU-Chefin Angela Merkel sprach von einem „guten Abend für die Union. Wir sind wieder da, mit uns muss man rechnen“, sagte Merkel.
Bundeskanzler Gerhard Schröder setzt trotz der massiven Verluste auf eine Fortsetzung der rot-grünen Koalition. „Wir haben gute Aussichten, diese Politik fortzusetzen, und wir wollen sie fortsetzen“, erklärte Schröder in Berlin. „Mehrheit ist Mehrheit“, so Schröder, „und wenn wir sie haben, werden wir sie auch nutzen.“
Überraschend war das gute Abschneiden der Grünen, möglicherweise das beste in ihrer Geschichte. „Am Ende wird die Mehrheit da sein“, prognostizierte Bundesaußenminister Joschka Fischer vor jubelnden Anhängern in Berlin. Bis dahin müsse aber angesichts der äußerst knappen Hochrechnungen noch gezittert werden. „Das wird noch eine spannende Nacht.“ Für die Grünen selbst zog Fischer eine rundum positive Bilanz: Das erste Wahlziel seien mindestens 8 Prozent der Stimmen gewesen. „Und das haben wir geholt.“ FDP-Chef Guido Westerwelle gestand dagegen eine klare Niederlage seiner Partei ein. „Wir haben nicht nur mehr erwartet, wir sind auch unter unseren Möglichkeiten geblieben.“ Für das schlechte Abschneiden der FDP machte Westerwelle seinen Parteivize Jürgen Möllemann verantwortlich. Die unnötige Debatte habe der Partei enorm geschadet. Das FDP-Präsidium legte Möllemann am Sonntagabend in einem einstimmigen Votum den Rücktritt nahe.
Der Parteienforscher Joachim Raschke sprach von einem „Wahlergebnis der Ratlosigkeit“. Die Wähler könnten sich Stoiber nicht als Kanzler vorstellen und Schröder seine schlechte Bilanz bei der Arbeitslosigkeit nicht verzeihen.
Laut ARD-Hochrechnung kommt die SPD auf 38,1, die Grünen auf 8,6 Prozent. Die Regierungskoalition hätte damit 302 Sitze. Stärkste Fraktion bliebe die CDU/CSU mit 38,8 Prozent. Die FDP kommt auf 7,4, insgesamt 299 Sitze. Die PDS kommt auf 4 Prozent. Laut ZDF erzielt Rot-Grün gemeinsam auf 46,9 Prozent, Schwarz-Gelb 46,4 Prozent. Zwei Sitze fielen über Direktmandate an die PDS. Damit hätte keines der beiden Lager eine Mehrheit. Unklar blieb gestern Abend die Verteilung der so genannten Überhangmandate. Das ZDF sieht je drei Überhangmandate für die SPD und für die CDU vor. Die Schill-Partei, die NPD und die „Republikaner“ blieben bedeutungslos. Insgesamt zeichnete sich mit 77 Prozent eine geringere Beteiligung als vor vier Jahren (82,3 Prozent) ab.
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